Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers
‘ne Art Hauswertschaftshilfe off Abruf!«, so die junge Dame von der Straße. »Ich schließe nachher die Haustür auf, dann kommen Sie gleich ganz nach oben in die letzte Etage!«, so Frau Almstädt. Sie spielte ihre Rolle mit Bravour. Die junge Frau redete jetzt wie ein Wasserfall und versuchte, die alte Dame zu überzeugen, dass es jetzt und sofort am besten sei, sich näher kennen zu lernen. »Vielleicht könn’ Se’n Haustürschlüssel runterschmeißen, dann brauchen Se sisch nisch den weiten Wesch nach unten zu machen!« »Sehr nett von Ihnen, Frau ... also, wie war doch Ihr werter Name gleich? Nun, wir lassen’s bei uns ‘rem viertel Stündchen. Es kann ruhig auch fünf Minuten länger dauern!«, entgegnete Frau Almstädt, weil die Dame schwieg. Jetzt verschwand sie für dieses akademische Viertel. In der Zwischenzeit alarmierte Frau Almstädt Mackenrodt und mich per Telefon. Wir kamen gerade richtig. Die verkappte Hauswirtschaftshilfe stand schon bei Almstädts auf der Matte. Mackenrodt ging voran. Er hatte wie immer sein ,angeschlissenes’ Arbeitskostüm auf dem Leib und blieb unauffällig, wenn er sich als Mitarbeiter der Wohnungswirtschaft ausgeben würde. Die junge Dame betätigte den Klingelknopf. Fast zeitgleich waren Mackenrodt und ich zugegen. Wir blieben anstandshalber zwei Stufen unterhalb des Treppenpodestes stehen. Frau Almstädt öffnete die Tür und begrüßte uns von weitem. »Ach Sie sind es – Gott sei Dank!«, rief sie. »Entschuldigen Sie, junge Frau ... wie war doch gleich ihr Name?«, fragte sie erneut. Möglicherweise arbeitete die Diebin mit allerlei Familiennamen, sodass ihr im Moment kein neues Pseudonym einfiel. Nun schickte sie sich an, die Segel zu streichen, denn unsere Anwesenheit schien ihr absolut nicht in den Streifen zu passen. Frau Almstädt wendete sich klugerweise Mackenrodt zu, der, wie sie jetzt bekannt gab, wirklich der Retter in der Not sei. Ein Wasserrohrbruch bahnte sich an und zwar in der Küche. »Jetzt tropft es nicht nur, sondern das Wasser läuft schon ganz ordentlich. Der Mieter unter mir hat schon eine nasse Zimmerdecke! Das ist nämlich der Klempner von der Wohnungswirtschaft, der uns schon lange betreut. Das tut mir natürlich Leid, dass Sie nun umsonst gekommen sind. Ach was, dann nehmen Sie doch ein Momentchen hier im Flur Platz! Der Herr Fritzsche ist so geschickt, dass er wohl die Reparatur sicherlich schnell hinbekommen wird!«, fügte Frau Almstädt hinzu. Sie spielte ihre Rolle wieder mal perfekt. Die junge Dame, blassbläulich im Gesicht, zog es vor, lieber stehen zu bleiben. Die Haut um den Augapfel ihres rechten Auges schillerte in allen Farben, weil die Verletzung wohl schon am Abklingen war. Frau Almstädt hatte in ihrem langen Stadtschwesternleben alle Milieus kennen gelernt – nicht nur das Auge der Dame allein sprach schon Bände, sondern auch Kledage und Haartracht. Alles an der jungen Frau erschien milieubedingt. »Armes Würstchen!«, dachte Frau Almstädt, »sieht mir ganz nach zuhälterischer Wirtschaft aus!« Die junge Frau war eine so genannte Fixerin. Obwohl es im Osten seltener Drogenprobleme gab, bemerkte Frau Almstädt die Kanüleneinstiche zwischen den Fingern. »Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte sie. Jetzt nahm die Dame doch auf einem Hocker Platz und nahm an. »Ist der Rest von vorhin, aber noch heiß. Übrigens bin ich Diabetikerin und muss zu vorgegebener Zeit frühstücken – es ist auch wegen der Medikamente, wissen Sie?«, sagte Frau Almstädt. Mackenrodt werkelte pro forma in der Küche herum, obwohl es nichts zu werkeln gab. Dabei inspizierte er wieder mal alle Ecken im Raum, ob es da nicht etwas an interessantem Hausrat zu entdecken gäbe. Jetzt stand er im Flur und hatte beide Hände in die Hüften gestemmt. »Un, wat is’n det für’n Job, den Se da machen?«, fragte er unverhohlen. »Hamm Se so wat wie’n Ausweis? Ick bin nämlich von’ne Wohnungsvawaltung, vateh’n Se? Un da sin wa ooch für de Sichaheit zuständich, wahh?« Frau Almstädt war es fatal, aber schließlich war dieser jähe Angriff auf die Vertreterin der Unterwelt die beste Methode, um den Umtrieben in der Stadt Einhalt zu gebieten. Jetzt wurde die junge Frau blasser und bläulicher, als sie schon war. Sie verteidigte sich nicht, sondern zitterte wie Espenlaub. Frau Almstädt wusste: Der nächste »Schuss« ist erforderlich! Die Gangsterbraut vom Leipziger Norden war gerade im Begriff, ein Wrack zu werden, wenn das nächste Heroin oder
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