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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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ähnliches Teufelszeug nicht unverzüglich herangeschafft würde. Mitleid empfand ich im Moment nicht, Mackenrodt wohl auch nicht. Die Blondine legitimierte sich in Windeseile, mit Astrid Bernauer, aber damit kam sie auch nicht an den im Moment »lebenswichtigen« Stoff. Uns half sie natürlich, den Weg zu ihrem Drahtzieher zu finden, zu einem Individuum aus der Drogenscene, das nebenbei Haushalte alter, gutgläubiger und alleinstehender Damen aufriss. Wie schon erwähnt, dieser Kandidat verfügte offenbar über ein fundiertes Fachwissen in Punkto Antiquitäten.
    Astrid Bernauer hauste auf einem Hinterhof irgendwo auf der Magistrale Georg-Schumann-Straße. Sie war die gesuchte »Mutter Gottes«, die selbst dringend Hilfe benötigte. Über sie hielt nun Frau Almstädt ihren Schutzmantel, den einer normal sterblichen Leipziger Bürgerin. Astrid Bernauer kippte beinahe vom Stuhl. Sie hatte die linke Hand zur Faust geballt. Die Fingernägel bohrten sich in die Haut ihres Handballens, die Fingerknöchel waren weiß wie Schnee. Jetzt öffnete sie die Faust, das zerknüllte Complementkärtchen fiel zu Boden. Es nützte wohl nichts mehr. Die junge Frau stammelte ihren Frust von der Leber. Das blaue Auge verpasste ihr der eigene Boss und Zuhälter, denn körperliche Züchtigungen waren an der Tagesordnung. Und wenn Astrid Bernauer heute mit leeren Taschen auf die Bildfläche treten würde, sowieso. Sie erlitt vor Ort einen Kreislaufkollaps und blieb von derartigen Repressalien verschont, jedenfalls für heute. Vorher verriet sie ihren Auftraggeber Dombrowski, Betreiber eines widerlichen Schuppens von Nachtbar. Während ihre Stimme leiser und leiser wurde, nannte sie, wenn auch unvollständig, noch das Adressat ihres Peinigers: Landsberger Straße zweiund… , dann verstummte sie. Gemeinsam legten wir die junge Frau mit den Beinen nach oben auf ein Sofa. Frau Almstädt leistete Erste Hilfe. In der Zwischenzeit rief ich den Krankenwagen, der auch nicht lange auf sich warten ließ.

    Mackenrodt und ich grasten noch am gleichen Tag die Landsberger Straße ab. Es war nicht ganz leicht, den »Gönner« der Frau Astrid Bernauer inmitten der fast eintausend existierenden Wohnadressen aufzuspüren. Wir wussten jedoch, dass wir mit der Suche innerhalb der Hausnummern mit geraden Zahlen beginnen müssten, also von 22 bis 92. Wir landeten gleich in den ersten Häusern unseren Volltreffer. Es waren die Grundstücke ab Nummer zweiundzwanzig. Wir gingen den Gerüchen nach. Es stank nach Kneipe, Schweiß und Pommesdunst. Da war ein Hinterhaus, ein kurzer Flur im Hochparterre und eine Kaschemmentür, an der ein windschiefes Schild hing: »20 Uhr bis ultimo«. In Klammern dahinter war zu lesen: »Nur für auserwählte Gäste!« Wir stiegen ins erste Obergeschoss und klingelten an einer der Korridortüren. Ein mürrischer Herr im fortgeschrittenen Alter öffnete die Tür einen Spalt. Ich erzählte ihm etwas von Haushaltsauflösungen, Kunstgegenständen usw. »Ich kümmere mich nicht um die Leute hier im Haus!«, sagte der Mann und knallte die Tür wieder zu. Über uns wischte eine Frau das Treppenpodest. Sie schaute übers Geländer und sprach uns an: »Woll’n Se etwa zum Dombrowski? Der ist immer auf Achse und handelt mit ,Antekwitäten’. Und außerdem treibt er noch ganz andere Dinge«, sagte die Frau und zeigte auf die Korridortür, hinter der angeblich Dombrowski wohnte. Wir begaben uns ins zweite Obergeschoss. »Unten am Briefkasten steht auch kein Name. Dieser Bewohner bekommt auch nie Post. Eigentlich braucht er keinen Briefkasten. `N Haufen Tamtam machen die da unten so ab 22 Uhr bis spät in die Nacht und auch bis zum nächsten Morgen. `S ist ne Schweinerei, kann ich Ihnen sagen! Ich hab neulich gefragt, ob’s nicht’n bisschen leiser geht, da hab ich zur Antwort bekommen, ich könne doch ausziehen. Schöne Nachbarschaft, nicht?« »Wo ist denn der Dombrowski jetzt?«, fragte ich, doch die Frau zuckte nur mit den Schultern. »Warten Se doch mal auf den! Vielleicht haben Se Glück! Wenn seine Nobel-Karosse vorm Haus steht, dann isser da!«, war die Antwort. Wir standen zwei Stunden in der Gegend herum, dann rollte tatsächlich eine Nobel-Karosse vor. Der Fahrer, in elegantem Mantel, stieg aus einem Mercedes der S-Klasse, aus. »Reichtum schändet nicht, bist bloß neidisch!«, raunte mir Mackenrodt ins Ohr und grinste. Mackenrodt tat mir Unrecht. Ich verspürte keinerlei Anwandlungen von Neid und sprach den Herrn einfach an, indem

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