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Rache ist lavendelblau

Rache ist lavendelblau

Titel: Rache ist lavendelblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Ennser
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Patient in einem Wartezimmer, einer jener Anonymen, die ihre Geschichten in Ermangelung anderer - besserer Gelegenheiten - dem Nächstbesten anvertrauten.
„Netter Abend. Hab ich wirklich an einen netten Abend gedacht als Desider mich anrief?“, fragte sie sich. Heidrun spürte instinktiv, Desider hatte sich wieder seiner Frau zugewandt. „Warum sagt er mir das nicht? Einfach so, ganz ehrlich: ‚Ich möchte das Verhältnis zu dir beenden, ich habe mich mit meiner Frau versöhnt‘, oder ‚ich möchte sie mit ihrer Krankheit nicht alleine lassen‘, oder so ähnlich. Warum können Männer nichts bereden? Aussprechen, einfach ganz ehrlich klarstellen? Es läuft immer auf dasselbe hinaus: Deckel zu und weg.“
„Es wird bald den ersten Schnee geben.“ Heidrun schaute über die Terrasse zum grauen Himmel hoch. „Dr. Westheimer hat mir zu einer Kur geraten.“ Heidrun zögerte einen kurzen Augenblick, auf eine Reaktion Desiders wartend und fuhr dann, als diese sich nicht einstellen wollte, fort: „Ich werde wahrscheinlich bis Weihnachten bleiben.“ Desider nickte, seine Gedanken waren nicht bei Heidrun, das spürte sie.
Desider verließ Heidrun ohne das übliche Liebesritual. „Das war´s“, dachte sie, „heute keine Blumen, keine Pralinen, kein Sex, nicht einmal Küsse, nichts.“ Heidrun nahm die neue Situation, die sich in der letzten halben Stunde heimlich und ohne Dramatik eingeschlichen hatte, nach außen hin ungerührt zur Kenntnis, obwohl sie sich doch ein klein wenig betrogen fühlte. „Scheißkerl“, sagte sie halblaut. Was sonst sollte sie über einen Mann sagen, der noch vor kurzem ihr Liebhaber gewesen war, und der ihr soeben klammheimlich und ohne Worte, seine Zuneigung entzogen hatte?
Auf weichen, flauschigen Wolken schaukelten Heidruns Gedanken nach Italien zurück und blieben bei Massimiliano hängen. Der Lavendel im Tontopf auf der Terrasse, der heuer den Winterstürmen und der Kälte trotzen musste, rief ihr ein Bild in Erinnerung, das deutlicher nicht hätte sein können. Der letzte Abend im Garten, die graue Steinbank und Massimilianos Blick in die Ferne gerichtet, seine nackten Füße in den Schuhen, seine Frage: „Den alten oder einen frischen Bach?“, und ihr gemeinsames Kichern über den albernen Scherz.
Heidruns anfängliche Enttäuschung war mit den zurückgekehrten Erinnerungen an Italien rasch verflogen. Heidrun gestand sich eine Art von Erleichterung ein, sie konnte wieder frei atmen, ihr schlechtes Gewissen, Desider gegenüber, war mit einem Schlag ausgelöscht.
*
November war Geburtstagsmonat. Das war schon immer so gewesen. Alljährlich das gleiche Ritual, zuerst Claus, dann Conradin und zuletzt Heidrun, denen eine kleine Familienfeier zugemutet wurde. „Zumuten“, hatte Heidrun immer gesagt, und alle hatten darüber gelacht. Nach Conradins Tod war das alljährlich zelebrierte, lustige Fest im Gasthaus „Zum glücklichen Karpfen“ auf einen nachmittäglichen Pflichttermin in Heidruns Haushalt zusammengeschrumpft, mit Claus, Katrin, Heidrun und Annette. „Kleeblatt ohne Glücksgarantie“, hatte sie einmal zu Annette gesagt, nachdem Sohn und Schwiegertochter gerade aufgebrochen waren, und Romana es vorgezogen hatte, eine tatsächlich glaubwürdige Entschuldigung vorzubringen, nämlich: „Mir geht´s nicht gut.“
„Heuer wird´s hoffentlich kurz und schmerzlos“, sagte sie zu Annette. „Obendrein sind wir ja bald weg, darüber kann man auch plaudern.“
Katrin misshandelte ihre Serviette; ihre langen Fingernägel stachen in das Leinen, kratzten darauf herum, so als gelte es, groben Schmutz zu entfernen. Heidrun stupste Annette am Arm und deutete mit dem Kopf in Richtung Katrin, die missmutig auf ihren Ehemann starrte.
„Die kratzt gerade Claus die Augen aus“, frotzelte Annette, während die beiden Frauen in der Küche schafften. Claus hatte sich in das Arbeitszimmer zurückgezogen, wo eine alte Wurlitzer Music-box, ein Lieblingsmöbel seines Vaters, stand.
Fridolin stand plötzlich neben Heidrun in der Küche. Ihn hatten Claus und Katrin mitgebracht, Katrins vierjährigen Neffen, ein zartes Bürschchen mit blondem Haarschopf und einem auffallend engstehenden Augenpaar, das dem Kind ein etwas dümmliches Aussehen verlieh.
„Der stört nicht, Mama, seine Mutter ist nicht da, er ist jetzt ein paar Tage bei Katrin“, hatte ihn Claus angekündigt. Heidrun wusste Bescheid, seine Mutter war labil, sie litt unter den ständigen Seitensprüngen ihres Mannes, Katrins

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