Rache ist lavendelblau
dicken Steinfassaden verschlossen hielt.
*
Das Abendessen wurde auf der großen Terrasse vor dem Eingang aufgetragen. Die Sonne stand schon tief und vom Weinberg zog ein kühler Wind herüber. Plötzlich vernahmen sie Gepolter aus dem Schuppen, der etwas abseits lag und von der Terrasse aus nicht zu sehen war und gleich darauf das Zuschlagen eines Tores.
„Nonno ist das“, sagte Elisabetta entschuldigend und lächelte Heidrun an.
Nonno erschien wie eine Naturgewalt. Es war Chiaras Vater, der Apotheker aus Florenz. Mit einer Hand schleppte er einen riesengroßen Heizpilz, dessen Fuß kreischend die Terrakottafliesen kratzte, mit der anderen trug er eine Kabelrolle, die er - als er Heidrun und Solveigh erblickte - sofort lautstark am Boden aufsetzte. Etwas umständlich postierte er den Strahler neben dem Tisch, um gleich darauf in seine Hände zu klatschen, den imaginären Staub abzuschütteln.
„Welche Freude!“, rief er aus, küsste den Damen die Hand und stellte sich sogleich lautstark als „Massimiliano, Chiaras Papa und Nonno von Elisabetta und Conrad“ vor.
Die beiden Teenager hatten sich inzwischen zu Tisch gesetzt und steckten die Köpfe zusammen. Sie schienen sich über Opas theatralische Selbstinszenierung ein wenig zu genieren.
„So schaut der also aus“, dachte Heidrun, die der toskanischen Naturgewalt gegenüber Platz genommen hatte. „Dunkelbraunes, lockiges Haar, mittelgroß und kräftig gebaut, wie seine Tochter“, dachte sie „nur ist er irgendwie eleganter, charmanter, nicht so steif.“
Solveigh, Chiara und die Teenager unterhielten sich angeregt, während alle einem köstlichen toskanischen Eintopfgericht und dem herrlichen Wein zusprachen. Solveigh brachte ihre guten Italienischkenntnisse ein – sie hatte ein paar Semester an der Accademia Di Belle Arti in Bologna studiert - und Heidrun schnappte einige Wortfetzen von nebenan auf. Es ging um die Textilkunst der Renaissance und modernes, italienisches Design.
Der Heizpilz über ihnen glühte, die Kühle des hereinbrechenden Abends hatte dagegen keine Chance.
„Nehmen Sie doch noch ein Glas, unser Wein belebt die Sinne“, raunte ihr Massimiliano zu und zwinkerte vergnügt mit einem Auge. Heidrun dachte bei sich „wenn der wüsste, wie belebt meine Sinne schon sind.“
Die drei Tage alten, grauen Bartstoppeln umrundeten ein volles Gesicht, das die Liebe zu gutem Essen und Trinken nicht leugnen konnte. Massimiliano plauderte charmant, nur dass er so viel rauchte, störte Heidrun. Die Kinder waren zu ihrem Nonno herangerückt, nachdem Chiara und Solveigh begonnen hatten, sich noch intensiver der alten Textilkunst hinzugeben.
„Nonno, was ist mit meinem Laptop?“, flötete Elisabetta und Conrad umgarnte Nonno mit der Erkenntnis, dass man damit auch als Weinbauer seinen Vorteil hätte.
„Eure Mutter hat einen Computer, ich denke, das reicht, und von einem Laptop habe ich nun wirklich nichts“, sagte der alte Herr bestimmt. „Elisabetta bekommt ihren zum fünfzehnten Geburtstag und nächstes Jahr bist du dann dran, Conrad. Und jetzt basta!“, entschied resolut der Großvater. Massimiliano entschuldigte sich für seine Enkelkinder und schenkte Heidrun noch ein Glas vom Chianti ein.
„Was machen Ihre Kinder, Heidrun?“ Massimiliano hatte Heidruns wunden Punkt angesprochen, sie sprach nicht gerne über Claus und Romana, besonders das Thema Romana war ihr peinlich. Sollte sie lügen? Etwas beschönigen? Meist antwortete sie auf Fragen nach ihnen mit: „Claus ist als Architekt recht fleißig und Romana versucht, uns Damen mit ihrer Kosmetik noch schöner zu machen.“ Das schien ihr unverfänglich und halbwegs ehrlich, trotzdem hoffte sie immer sehnlich, nichts Näheres preisgeben zu müssen. Massimiliano ergriff Heidruns Hand, schickte einen prüfenden Blick zu seiner - ins Gespräch versunkenen - Tochter hinüber und sagte dann halblaut: „Heidrun, Sie sind eine sehr schöne Frau.“ Das saß. Heidrun entwand ihm verlegen ihre Hand, sie zitterte ein wenig und ihre Wangen röteten sich. Das hatte sie schon lange nicht mehr gehört. Ob Chiara etwas aufgefangen hatte? Die Kinder tratschten miteinander, die hatten sicher nichts mitbekommen.
„Ich habe etwas für euch“, wandte sich Heidrun blitzschnell an Conrad und Elisabetta. Die schauten sie verdutzt an. Heidrun bückte sich nach ihrer Reisetasche, die sie neben einem Tontopf, aus dem halbdürrer Ginster ragte, abgestellt hatte und entnahm ihr eine schwarze Lederkassette.
„Ich habe
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