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Rache ist lavendelblau

Rache ist lavendelblau

Titel: Rache ist lavendelblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Ennser
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Bruder.
„Das dürfte bei denen in der Familie liegen“, dachte sie.
Der Kleine schaute Heidrun mit großen Augen neugierig an, legte sein blondes Köpfchen keck zur Seite und fragte geradeheraus: „Ich bin Fridolin und wer bist du?“ Noch ehe Heidrun antworten konnte griff er flink nach einer Schokoladewaffel am Küchentisch, stopfte sich diese in den Mund und plapperte mit vollen Backen: „Gell, du bist die geizige Ziege!“
Heidrun riss die Augen auf, eine Kuchenplatte drohte ihr zu entgleiten. „Wer sagt denn so was?“
„Meine Tante Kathi“, kam prompt die Antwort. Der Kleine drehte sich um und sauste in den Salon hinaus, seiner Tante entgegen, mit Schokoladefingern, die sich schon im nächsten Augenblick in deren teures, weißes Strickkostüm bohrten.
Annette schüttelte ungläubig den Kopf. „Rotzlöffel“, entfuhr es ihr, und Heidrun legte schnell den Zeigefinger an ihre Lippen.
„Nur nichts anmerken lassen“, dachte Heidrun, während sie den Kuchenteller am Kaffeetisch abstellte und lächelte. „Du wirst mich noch kennenlernen, Schwiegertochter.“
Katrin starrte auf die gegenüberliegende Wand, wo sich vor Tagen neben dem alten Ochsenblutkelim eine moderne Textilie Platz geschaffen hatte. Ein schlichter, silbergrauer Wandteppich aus grober Rohseide gewebt, in dessen Mitte das Fragment eines alten Kelims - einem Auge gleich - eingearbeitet war, behauptete sich elegant neben der Antiquität aus dem Bazar von Sanandadj.
„Was ist denn das?“
Claus kam seiner Frau zuvor. „Von wem ist denn der Neue?“, fragte er schnell, und bereute auch schon seine Frage, kaum dass er sie ausgesprochen hatte. Er ahnte aufflammende Kritik, er fürchtete eine Diskussion zwischen seiner Mutter und Katrin.
„Von einer Bekannten, zum Geburtstag“, antwortete Heidrun wie beiläufig und widmete sich hingebungsvoll dem Aufschneiden der Sachertorte.
Es stimmte, und wie: Der „Neue“ war eine Arbeit von Solveigh, die es sich nicht nehmen ließ, Heidrun das wunderschöne Stück, das noch vor einigen Wochen in einer internationalen Ausstellung große Bewunderung geerntet, aber leider keinen Käufer gefunden hatte, zu überlassen.
„Ich betrachte den Wandbehang als Leihgabe, Solveigh, lange werde ich mich nicht mehr daran erfreuen können, du bekommst ihn also wieder zurück“, hatte Heidrun gleich festgelegt.
*

Ist etwas passiert?
 
     

    „Ich bin zurück“, meldete sich Annette, „und du glaubst es nicht, die schönen Weihnachtsbäume sind heuer schon weg.“ Heidrun war geblieben, das Marienheim hatte ihr angeboten, ihre Kur über die Weihnachtsfeiertage auszudehnen, obwohl der Betrieb feiertagsbedingt stark eingeschränkt werden musste. Weder Romana noch Claus hatten sich bisher gemeldet, ihrer Mutter angeboten, die Festtage mit ihnen zu verbringen, hatten sie weder besucht, noch angerufen. Heidrun war darüber verbittert, wenigstens einen Anruf hatte sie sich erwartet. Wie immer plagten sie Selbstvorwürfe, ob sie in der Erziehung ihrer Kinder nicht doch etwas falsch gemacht habe.
„Solveigh und Alexandra waren gestern hier, sie wollten, dass ich zu Weihnachten zu ihnen komme, aber ich bleibe noch da, ich möchte nicht zu viel Aufregung.“
„Und Massimiliano? Was macht der?“, erkundigte sich Annette.
„Wir plaudern heute noch, ich werde ihn am Abend anrufen, freu´ mich schon.“
Heidrun hatte Annette zur Kur eingeladen. Annette schwärmte vom Kneippen, den Kaltwassergüssen, dem Wassertreten und der gesunden Vollwertkost in den Kneippanstalten. Es war Heidruns Weihnachtsgeschenk an die gute, treue Freundin, deren finanzielle Mittel eine Privatkur nicht zuließen.
Bald nach dem Abendessen, das wie immer vorzüglich gewesen war, zog sich Heidrun auf ihr Zimmer zurück. Die Skatrunde hatte sie eingeladen, ein alleinstehender Herr zu einem „gemütlichen Gläschen“ und ihre überaus wohlbeleibte Zimmernachbarin zu einem Verdauungsspaziergang. Heidrun entschuldigte sich mit Müdigkeit und Kopfschmerzen. „Herzschmerzen wäre ehrlicher“, sagte sie zu sich, während sie auf das baldige Verstreichen der Zeit hoffte und Erinnerungen nachhing.
Massimiliano war am Apparat. „Jauchzet, frohlocket“, trällerte er, gleich nachdem er Heidrun wahrgenommen hatte.
„Und preiset die Tage“, zwitscherte sie überglücklich zurück. Ihr Weihnachtsgeschenk, auf drei Vinylscheiben gepresst, war angekommen. Bachs Weihnachtsoratorium mit dem Concentus Musicus verband sie nicht nur im Geist. Heidruns Herz sprang

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