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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Mond war aufgegangen. Sein perlweißes Licht erfüllte Himmel und Landschaft, und überall, wo es auf den harten Raureif fiel, der an Zweigen und Ästen und Grashalmen und den Rippen und Rillen alter Steinwände haftete, explodierte es zu einem strahlenden Glitzern, als hätte man Schießpulver auf glimmende Holzscheite gestreut.
    Es war keine menschliche Landschaft, auf die sie da blickte, es war ein Feenland, ein Land, in dem kein menschliches Warum und Wie noch Bedeutung hatte. Es war ein Zauber, der sie hier bannte. Ihre einzige Sicherheit lag in der Flucht vor dem Zauberer, doch in ihren klugen Büchern fand sich kein Elfenzauberspruch, der sie sicher durch diese Gefilde des Lichts tragen würde.
    Ihr Blick glitt nach unten in den Hof vor ihrem Fenster. Auf den weiß überpuderten Pflastersteinen waren Spuren, als wäre irgendjemand darüber hinweggegangen, nachdem der Frost sie überzogen hatte. Sie erinnerte sich, von einem Geräusch geweckt worden zu sein, wusste aber nicht mehr, was es gewesen war.
    Sie ging wieder ins Bett und war wohl auf der Stelle wieder eingeschlafen, denn es kam ihr so vor, als würde sie nur Sekunden später schon wieder geweckt, diesmal von einer Faust, die an ihre Zimmertür schlug, und von Haddas Stimme, die rief: »In fünfzehn Minuten gibt’s Frühstück.«
    Sie stand auf. Vielleicht hatten die Reste des Kaminfeuers noch Wärme verströmt, als sie nachts ans Fenster getreten war, denn da hatte sie die Kälte nicht bemerkt, aber jetzt war es bitterkalt. Sie zog sich ihre Sachen an. Die Landschaft vor dem Fenster sah noch immer magisch aus, aber eher wie auf einer kitschigen Weihnachtskarte. Sie zog den Stuhl von der Tür weg und ging hinüber ins Badezimmer. Aus dem Hahn kam nur ein dünnes Rinnsal warmes Wasser. Die alte Badewanne damit zu füllen hätte eine halbe Stunde gedauert, und bis dahin hätte sie sich wahrscheinlich schon eine Lungenentzündung geholt, also begnügte sie sich mit einer Katzenwäsche am rissigen Waschbecken. Nachdem sie sich mit einem Kamm durch die Haare gefahren war, ging sie nach unten in die Küche.
    Hier sorgte ein prasselndes Feuer für mollige Wärme, und es duftete nach gebratenem Speck. Hadda begrüßte sie mit: »Perfektes Timing, Elfe. Gut geschlafen?«
    Es war das erste Mal seit ihrer Ankunft, dass er ihren Spitznamen benutzt hatte. Am Vorabend hatte er sie … nein, er hatte sie überhaupt nicht angeredet, und jetzt merkte sie, dass ihr dieses Gefühl der Abgrenzung zu schaffen gemacht hatte.
    »Ja, danke. Kann ich was helfen?«
    »Wenn Sie möchten, können Sie Kaffee kochen.«
    Sein Gesicht sah frisch und gerötet aus, was die Narben darin hervortreten ließ wie Quarzadern in einem Granitfelsen. Ihr fiel sein feuchtes Haar auf, das aussah, als hätte er es nur rasch mit den Fingern gekämmt.
    Während sie den Kaffee machte, sagte sie vorwurfsvoll: »Sie sehen aus, als hätten Sie geduscht.«
    Er sagte: »Was?«
    Dann hob er eine Hand an den Kopf, lächelte und sagte: »Ach ja. Hab ich die Duschmöglichkeiten beschrieben?«
    »Nein, haben Sie nicht«, sagte sie.
    »Tja, jetzt ist keine Zeit mehr, aber falls Sie nach dem Frühstück noch immer duschen wollen, gehen Sie einfach zur Tür raus und auf die Grenzmauer des Anwesens zu, dann kommen Sie an einen Bach. Folgen Sie ihm rund zwanzig Meter bachaufwärts, dann finden Sie unter einem kleinen Wasserfall einen Tümpel, gerade groß genug für eine Person. Ich hol Ihnen ein Handtuch.«
    Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er keinen Witz machte. Sie dachte an die eisige Welt da draußen und fröstelte.
    Er holte zwei Teller aus dem Backofen, die er dort vorgewärmt hatte, legte die Speckstreifen darauf, briet in dem restlichen Fett rasch ein paar Rühreier, verteilte sie auf die Teller und sagte: »Hauen Sie rein.«
    Auf dem Teller schienen sich mehr Kalorien anzuhäufen, als sie normalerweise an einem ganzen Tag zu sich nahm, aber sie putzte ihn ohne nennenswerte Probleme leer.
    Er schnitt zwei dicke Scheiben von einem Laib Brot ab, spießte eine Scheibe auf eine lange Gabel, die andere auf ein Brotmesser, und sagte: »So, jetzt müssen Sie selbst ran.«
    Sie setzten sich vor den Kamin, rösteten das Brot, bestrichen es dick mit Butter und Marmelade und spülten mit Kaffee nach.
    »Ich kann nicht mehr«, sagte sie nach drei Scheiben.
    »Essen Sie«, befahl er. »In Birkstane weiß man nie, wann es Lunch gibt.«
    Er schien unausgesprochen davon auszugehen, dass sie zum Lunch

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