Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
der Kirche von England, die Moral ihrer Priester aufrechtzuerhalten«, sagte Hadda. »Bitte sehr. Kaffee. Tut mir leid, Padre, keine Sahne heute. Mein Gast hat den letzten Rest von Ihrem kleinen Vorrat geplündert. Übrigens. Sie sollten meinen Hund lieber weiter mit dem Zeug füttern, nach dem er anscheinend süchtig ist, sonst verlieren Sie noch Ihre Jacke.«
Sneck saß neben Hollins, die Nase an die Tasche mit den Leckerchen gedrückt, und der Vikar gab ihm eine weitere Handvoll Honigpops.
»Gut«, sagte Hadda. »Ich denke, jetzt wird es Zeit, uns der Frage zu widmen, die bei Ihnen beiden ganz oben auf der Tagesordnung steht und die vermutlich lautet: Hält sich Hadda an seine Bewährungsauflagen oder sollte er in Hand- und Fußschellen gelegt und zurück in den tiefsten Kerker gestoßen werden, den der Staat zu bieten hat? Wenn Sie also beide bequem sitzen, werde ich anfangen.«
15
Es war, dachte Alva, entweder eine ausgezeichnete Darstellung oder eine ausgezeichnete Darbietung.
Nach ihrem Verständnis war der Terminus Darstellung neutral. Er implizierte keine Verstellung oder Unehrlichkeit. Lange Gefängnisstrafen machen die meisten, die sie absitzen müssen, in gewisser Weise zu Darstellern. Letztlich kann das Überleben im Gefängnis davon abhängen, dass man herausfindet, was ganz unterschiedliche Gruppen von Menschen wollen, und es ihnen dann liefert. Das Gesicht, das ein Mann seinem Mithäftling zeigt, unterscheidet sich wahrscheinlich von dem Gesicht, das er den Wärtern zeigt oder seinen Besuchern oder dem Direktor oder dem Bewährungsausschuss.
Oder der Gefängnispsychiaterin.
Aber eine solche Darstellung ist nicht dasselbe, wie eine Rolle zu spielen. Muss es zumindest nicht sein. Es kann einfach nur bedeuten, einen Aspekt der Persönlichkeit anderen gegenüber hervorzuheben. Ein Darsteller kann die Summe seiner Darstellungen sein, wohingegen ein Schauspieler fast nie die Summe seiner Rollen ist.
Also, Darstellung oder Darbietung?
Ihr kam der Gedanke, dass sie vermutlich mehr über Wolf Hadda wusste als sonst jemand auf der Welt. Aber sie wusste auch, dass man in der Wissenschaft der Psychologie genau wie in der Physik mit herkömmlichem Wissen nur bis zu einer gewissen Grenze kam. Danach stieß man in die Quantentheorie vor, wo keines der sorgsam geordneten Gesetze mehr galt.
Dennoch war sie sich ihrer Einschätzung, dass Hadda keine Bedrohung mehr war, so sicher gewesen, dass sie seine Entlassung auf Bewährung so nachdrücklich empfohlen hatte wie bei keinem anderen Häftling zuvor.
Was natürlich der Grund dafür war, warum sie jetzt hier saß. Eine Frage war aufgeworfen worden. Falls sich herausstellte, dass sie sich geirrt hatte, würde ihr Ruf zwar großen, aber keinen irreparablen Schaden nehmen. Falls jedoch irgendeinem Mädchen etwas zustieße …
Also Darstellung oder Darbietung? Zweifellos hatte er zum Auftakt eine geradezu theatralische Pose eingenommen, indem er sich vor dem Kamin aufbaute, das Gewicht überwiegend auf sein gesundes Bein stützte und vor ihnen aufragte wie ein Solist auf einer Konzertbühne. Selbst Sneck vergaß für einen Moment die Jackentasche des Vikars und blickte aufmerksam seinen Herrn an, als der anfing zu sprechen. Alva stellte ihre eigenen Parameter auf, indem sie ihn unterbrach, um ihren Notizblock aus der Handtasche zu holen und den Stift schreibbereit darüber zu halten.
Dann lächelte sie ihn an und erteilte ihm mit einem Nicken die Erlaubnis, weiterzumachen.
»Ich will direkt zur Sache kommen«, sagte er. »Aus reiner Herzensgüte und nicht weil ich mich in irgendeiner Weise verpflichtet fühle, das zu tun, möchte ich Ihnen erklären, wie ich an die Kiste voller Geldscheine in meinem Schlafzimmer gekommen bin. Oder möchte vielleicht jemand schon mal eine Vermutung anstellen?«
Er legte eine erwartungsvolle Pause ein.
Der Vikar blickte beklommen, Alvas Stift kritzelte Stenoschrift auf ihren Block. Sie schrieb Folgendes: Wie selten kommen Menschen, die behaupten, sie wollen gleich zur Sache kommen, wirklich zur Sache! Gleich wird er seine eigene Frage beantworten.
»Ich bitte Sie. Keine falsche Bescheidenheit«, sagte Hadda. »Ich wette, irgendwelche alten Finanzbetrügereien standen ganz oben auf Ihrer Liste. Irgendein Konto, das ich geschickt vor dem Betrugsdezernat versteckt hatte. Oder eine Belohnung von einem Komplizen, weil ich den Mund gehalten habe. Vielleicht hab ich aber auch eine Bank ausgeraubt. Die Polizei sucht nach einem stark
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