Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
Verschluss zu halten. Muss ein ziemlich deutliches Memo gewesen sein, wo die Presse sich doch nach so einer grausigen Geschichte zur Weihnachtszeit die Finger leckt.«
»Grausig? Was zum Teufel ist denn passiert?«
»Seine Frau hat ihn am Weihnachtsmorgen gefunden. Er war im Wohnzimmer. Seine Hände auf der Terrasse. Der Sicherheitsrollladen ist runtergerauscht und hat sie abgehackt. Er ist verblutet.«
»Großer Gott! Hat Ihr Kumpel Ihnen noch mehr erzählt?«
»Dass er mehr Alkohol intus hatte als eine vollbesetzte Kanalfähre, weshalb die Polizei vor Ort davon ausgeht, dass er in seinem betrunkenen Zustand aus Versehen oder absichtlich auf die Fernbedienung für den Metallrollladen gedrückt hat und dann mit ausgestreckten Armen aufs Gesicht gefallen ist, die Arme in der Terrassentür.«
»Wie furchtbar«, sagte Wolf.
»Genau das hab ich auch gesagt. Dann hat mein Kumpel mich so ganz nebenbei gefragt, warum ich Arnie hatte sprechen wollen.«
»Und was haben Sie ihm gesagt, Davy?«
»Na ja«, sagte McLucky langsam, »als Exbulle und vor allem als Privatdetektiv, der an seine Lizenz denken muss, weiß ich, was ich ihm hätte sagen sollen. Ich hätte ihm sagen sollen, ich arbeite da für einen Typen, der hat echt Format, hat mir gutes Geld dafür bezahlt, dass ich rausfinde, wo Medler wohnt, seine Gewohnheiten, den Grundriss seiner Villa, alles Mögliche. Den solltest du dir vielleicht mal vornehmen, checken, wo er Weihnachten verbracht hat …«
Jetzt war es Hadda, der einen Moment schwieg.
Dann sagte er: »Ich denke, wir sollten uns treffen.«
»Sie denken doch wohl nicht, dass ich mich noch mal in diese Scheißwildnis verirre, in der Sie wohnen, oder?«
»Ich bin morgen in Carlisle, können Sie noch mal dahin kommen? Das ist praktisch so, als würden Sie das Königreich gar nicht verlassen; es soll mal die Hauptstadt von Schottland gewesen sein, wie ich gehört hab.«
McLucky war nicht in der Stimmung für humorvolle Bemerkungen.
»Selbe Zeit, selber Ort. Ich werde da sein.«
Die Verbindung endete.
Hadda legte auf und blieb eine Weile gedankenversunken sitzen.
Dann nahm er die Akte und schlug sie auf. Er brauchte nur zehn Minuten, um sie zu lesen. Trapp war kein Mann vieler Worte.
Als er fertig war, öffnete er seine Reisetasche, legte die Akte hinein und nahm eine große Flasche teures Parfüm, eine elegante vergoldete Uhr und einen tragbaren Digitalrekorder heraus. Er war schon an der Tür, als ihm noch etwas einfiel und er zum Schrank ging. Von einem Regalbrett nahm er ein Päckchen. Es war Luke Hollins’ Weihnachtsgeschenk, aber ein vager atavistischer Aberglaube hatte ihn davon abgehalten, es vor Weihnachten zu öffnen.
Trapp und seine Frau saßen vor einem glühenden Feuer im Wohnzimmer, das ein Tribut an die Siebzigerjahre hätte sein können.
Hadda sagte: »Ich hab eine kleine Aufnahme, die ich euch gern vorspielen möchte. Danach muss ich euch etwas Trauriges und ziemlich Beunruhigendes erzählen. Aber das Wichtigste zuerst. Bescherung! Tut mir leid, dass ich nicht zum Einpacken gekommen bin.
Er gab Doll die Uhr und Ed das Parfüm, dann sagte er: »Hoppla, ich war zu lange im Gefängnis«, und tauschte die Geschenke aus.
Sie lächelten beide, bedankten sich und sahen dann zu, wie Hadda sein Päckchen auspackte.
Es war ein postkartengroßes Bild in einem Goldrahmen. Es zeigte einen bärtigen Mann mit Heiligenschein. In einer Hand hielt er etwas, das aussah wie ein kleiner Baum, in der anderen eine Axt. An dem Rahmen klebte ein Post-it-Zettel mit der Aufschrift:
Das ist der heilige Gomer oder Gummarus. Der Doppelname könnte sich als nützlich erweisen, falls man Sie je nach den Namen von drei berühmten Belgiern fragt. Er ist der Schutzpatron der Holzfäller und unglücklichen Ehemänner. Hoffe, Sie können was mit ihm anfangen. LH
Hadda musste schmunzeln, und schließlich lachte er laut auf.
»Was ist?«, fragte Doll.
»Nichts. Bloß mein freundlicher Vikar. Ich hab ihm mal gesagt, ich würde mir nicht gern Predigten anhören, und jetzt hat er sich anscheinend gedacht, wenn du sie nicht mit Sermonen bekehren kannst, dann vielleicht, indem du mit ihnen lachst!«
Er betrachtete das Bild erneut, nickte dann und fügte hinzu: »Wisst ihr was, der Mann könnte recht haben!«
4
Das Einzige, was Alva Ozigbo von den Freuden eines traditionellen Weihnachtsfestes mitbekam, war die ziemlich deprimierende weihnachtliche Atmosphäre, die in den Krankenhausfluren hing.
Die Luftballons
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