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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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und die Weihnachtsdekoration machten vor der Intensivstation halt, aber nirgendwo war man vor den süßlichen Klängen der Weihnachtslieder sicher, die aus der hausinternen Lautsprecheranlage schallten. Für ihren Vater, wie sie gleich nach ihrer Ankunft erfuhr, war am folgenden Tag eine Angioplastie angesetzt, und ihre Mutter stand kurz vor dem Zusammenbruch. Alva war darauf gefasst gewesen, schließlich wusste sie seit ihrer Kindheit, dass Elvira in schwierigen Situationen unweigerlich mit dem Schlimmsten rechnete, als könnte sie es verhindern, wenn sie sich darauf einstellte. Wenn sie ihre düsteren Prognosen abgab, fiel sie stets in einen Tonfall, der ihr, wie ihr Mann und ihre Tochter oft gemutmaßt hatten, garantiert eine Rolle in einem Bergman-Film eingebracht hätte, wenn sie ihn beim Vorsprechen hätte zum Besten geben können.
    Der Eingriff verlief gut, und zwei Tage später befanden sich sowohl Patient als auch Ehefrau auf dem Wege der Besserung. Offenbar hatte Ike Ozigbo es sich in den Kopf gesetzt, das alte Klischee zu bedienen, dass Ärzte die schlimmsten Patienten abgeben, und als sein behandelnder Arzt, Ikes Assistenzarzt, Alva erklärte, ihr Vater könne wahrscheinlich schon zu Silvester nach Hause, fügte er hinzu: »Und das auf vielfachen Wunsch!«
    Nachdem Elviras abergläubischer Pessimismus seine Funktion erfüllt hatte, kehrte sie zu ihrem üblichen resoluten tüchtigen Selbst zurück. Natürlich war sie in Gedanken weiterhin bei der Gesundheit ihres Mannes, aber sie räumte auch wieder anderen Aspekten ihrer Persönlichkeit Platz ein, so vor allem einer bohrenden Neugier hinsichtlich der Frage, wie es um das Sexualleben ihrer Tochter bestellt war.
    Selbst zur Zeit ihrer dunkelsten skandinavischen Depression hatte sie registriert, dass Alva Telefonanrufe von einem Mann erhielt. Das war Wolf Hadda, der zweimal anrief, einmal am Abend ihrer Abfahrt aus Cumbria, um sich zu vergewissern, dass sie wohlbehalten in Manchester angekommen war, ein weiteres Mal zwei Tage später. Alva, die sich außer Hörweite ihrer Mutter begeben hatte, ohne allerdings deren Spekulationen zu entkommen, ertappte sich dabei, dass sie, wie sie später fand, Elviras Verhalten unnötig detailliert beschrieb. Hadda sagte: »Da kann ich Ihre Ma verstehen. Das Beste hoffen, aufs Ärgste gefasst sein, das ist vernünftig. Im Innern hoffen wir alle das Beste. Also nähren Sie die Hoffnung und finden Sie sich mit dem Rest ab. Aber jetzt will ich einem alten Hund neue Tricks beibringen.«
    Alva sagte: »Mein Hund konnte keine Tricks. Haben Sie Sneck welche beigebracht?«
    Er sagte: »Sonst hätte ich ihn nicht adoptiert. Hören Sie, ich wollte damit nur sagen –«
    Was er nur sagen wollte, ging in jähem Lärm unter.
    Sie sagte: »Wie bitte? Ich hab Sie nicht verstanden.«
    Er sagte: »Tschuldigung, hab das Radio an. Tut mir leid, ich muss los. Bis bald.«
    Dann war er weg, und sie stand da und starrte ihr Telefon an und überlegte, ob sie das Radioprogramm durchforsten sollte, ob gerade auf irgendeinem Sender etwas lief, bei dem eine Lautsprecherdurchsage auf einem Bahnsteig oder in einem Flughafen vorkommen konnte.
    Natürlich tat sie das nicht. Ihr Leben war zu hektisch, um sich so einen Luxus wie das Studium von Programmzeitschriften zu gönnen.
    Aber sie war enttäuscht, als er nicht wieder anrief, und hatte Schwierigkeiten, sich über den Grund dafür klar zu werden.
    Zwei Tage nach Weihnachten hatten sich die Dinge (will heißen, Elvira) so weit beruhigt, dass Alva daran denken konnte, den Anrufbeantworter in ihrer Londoner Wohnung per Fernabfrage abzuhören. Sie hatte jeden, der möglicherweise versuchen würde, Kontakt zu ihr aufzunehmen, davon in Kenntnis gesetzt, dass sie eine Weile verreist sein würde, daher gab es nur wenige Nachrichten, und nur eine war dabei, die sie aufmerken ließ. Sie war am Vortag hinterlassen worden.
    »Dr. Ozigbo, hier spricht Imogen Estover. Ich denke, ein Gespräch zwischen uns könnte nützlich sein. Ich werde noch ein paar Tage hier im Schloss bleiben, danach bin ich wieder in London.«
    Sie hinterließ ihre Handynummer, und damit war die Aufnahme beendet. Ihre Stimme hatte kühl geklungen, beinahe ausdruckslos, doch Alva hätte sie auch dann wiedererkannt, wenn sie nicht ihren Namen genannt hätte.
    Nützlich . Für wen, fragte sie sich, während sie die Handynummer speicherte.
    Sie überlegte, noch am selben Abend zurückzurufen, beschloss aber dann, eine Nacht darüber zu

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