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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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der Richter ihn aufforderte, sich hinzusetzen, wurde er pampig. Und als der Gerichtsdiener versuchte, ihn rauszuführen, wurde er gewalttätig.
    Sämtliche Zeitungen schrieben über die Sache. Es sah aus, als wäre das das Ende seiner Karriere. Er würde angeklagt werden, vielleicht sogar zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden, und auf jeden Fall seine Zulassung verlieren. Ich glaube, er war selbstmordgefährdet. Ich war es jedenfalls.
    Und dann hält auf einmal so ein Fünfzigtausend-Pfund-Wagen vor unserem Haus, und ein schicker junger Bursche in einem Dreitausend-Pfund-Anzug steigt aus, und als ich die Tür aufmache, nimmt er mich in die Arme, gibt mir einen dicken Kuss und sagt: ›Hallo Doll. Du siehst großartig aus.‹
    Es war Wolf. Oder Sir Wilfred Hadda, wie er inzwischen hieß. Er hatte das mit Ed in der Morgenzeitung gelesen, alle seine Termine abgesagt und war schnurstracks zu uns gekommen.
    Ich kann noch immer kaum glauben, was er getan hat, und ich weiß nicht, wie er es getan hat. Aber innerhalb von zwei Tagen war der Skandal aus der Welt. Ed war eine Art moderner Heiliger geworden, der unter der Last seiner allzu vielen guten Werke zusammengebrochen war; der Richter war zufrieden, die Anwaltskammer war zufrieden, und Ed, das war überhaupt das Beste von allem, wurde in die beste Entzugsklinik des Landes verfrachtet, wo man ihn behandelte wie einen Filmstar.
    Jetzt wissen Sie’s, meine Liebe«, kam Doll Trapp zum Ende. »Wenn Sie jetzt nicht begreifen, warum wir wissen , dass Wolf mit diesen schrecklichen Sachen nichts zu tun hat, für die sie ihn verurteilt haben, dann sollten Sie sich vielleicht umschulen lassen!«

6
    John Childs saß zu Hause am Schreibtisch und arbeitete an seinem Buch.
    Auf ein leeres Blatt Papier schrieb er ganz oben Kapitel 97 , in derselben tadellosen Handschrift, mit der er vor fast vierzig Jahren Kapitel 1 geschrieben hatte. Manchmal blickte er ein wenig betrübt auf den von ihm gewählten Titel zurück, Eine kurze Geschichte des phönizischen Volkes , doch ein feiner Sinn für Humor hielt ihn davon ab, ihn zu ändern.
    Da sein Verstand ebenso akribisch war wie seine Schrift, schätzte Childs, dass er weitere siebzehn Jahre brauchen würde, um seine Kurze Geschichte abzuschließen. Falls er und die Nachfrage nach Büchern dieser Art noch so lange währten, rechnete er nicht damit, die Bestsellerlisten zu stürmen. Vielmehr amüsierte ihn der Gedanke, dass die Mehrzahl seiner Leser vermutlich Kollegen aus Organisationen sein würden, die mit der seinen artverwandt waren, Kollegen, die sein Manuskript immer mal wieder heimlich überprüft hatten, nur um sich zu vergewissern, dass er nicht dabei war, einen Schlüsselroman zu verfassen.
    Etwas kratzte an seiner Fensterscheibe. Er stand auf, um den Vorhang zurückzuziehen und die Glastür zu öffnen, die auf einen kleinen Balkon mit Blick über den Regent’s Park führte.
    »Du hättest auch einfach an der Haustür klingeln können«, sagte er.
    Wolf Hadda trat ins Zimmer.
    »Hallo, JC«, sagte er. »Ich brauchte ein bisschen Bewegung.«
    Die beiden Männer beäugten einander kritisch.
    »Du bist alt geworden«, sagte Hadda.
    »Und du bist … nun ja, du siehst besser aus, als du solltest«, sagte Childs. »Nach allem, was ich höre, bist du extrem fit. Erlaubt dein Trainingsplan den Genuss von Alkohol?«
    »In Maßen.«
    »Wie wär’s dann mit einem maßvollen Scotch? Nimm Platz.«
    Hadda sank in den drehbaren Lehnstuhl und schwang mit ihm herum, um den ganzen Raum zu überschauen. Seine Augen glitten über die Fotos an der Wand – Childs senior im Tropenanzug und mit sehr ernster Miene; ein Junge, von dem er wusste, dass es John Childs war, neben einem jungen Araber, der ihm einen Arm um die Schultern gelegt hatte; und dann die jungen Männer, manche lässig, manche förmlich; und zwischen ihnen eine Lücke.
    » Et tu, Brute «, sagte er. »Wie ich sehe, bin ich verbannt worden.«
    »Was? Ach so. Eine vorübergehende Vorsichtsmaßnahme. Warte, ich bring das wieder in Ordnung.«
    Er reichte Hadda ein Glas und zog eine Schreibtischschublade auf. Dann stockte er und runzelte kurz die Stirn, als wäre ihm etwas an deren Inhalt seltsam vorgekommen. Schließlich nahm er ein gerahmtes Foto heraus und ging damit zu der Wand, um die Lücke zu schließen.
    »Bitte sehr«, sagte er. »Alles, wie es sein sollte.«
    »Ja, hat sich nichts verändert. Ein paar Fotos mehr, natürlich. Und der Manuskriptstapel sieht ein bisschen höher

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