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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Nachdem sie sich gewaschen und angezogen hatte, ging sie in die Küche.
    Der Raum könnte einen gründlichen Frühjahrsputz gebrauchen, befand sie, während sie frühstückte. Bei dem ganzen Stress in den letzten paar Monaten hatte sie die Dinge irgendwie schleifen lassen. Eigentlich hatte die ganze Wohnung eine Grundreinigung nötig. Sie war sich der symbolischen Implikationen dieses Gedankens bewusst, aber das änderte nichts an deren faktischer Wahrheit. Ihre Wohnung wirkte vernachlässigt. Noch ein paar Wochen länger, und sie wäre regelrecht verdreckt! Alva stellte sich vor, was Elvira mit ihren skandinavischen Hygienestandards wohl sagen würde, wenn sie in diesem Augenblick hereinkäme.
    Sie hatte ihren Eltern versprochen, rechtzeitig zum Geburtstag ihres Vaters zu ihnen in den Norden zu kommen. Damit blieben ihr drei Tage Zeit, um die Wohnung wieder auf Vordermann zu bringen. Und ein bisschen gute harte unverkopfte Arbeit war genau das Richtige für arbeitslose Psychiaterinnen.
    Bis zum späten Vormittag hatte sie die relative Ordnung der Wohnung in Chaos verwandelt, aber zumindest war es ein Chaos, das peu à peu sauberer wurde. Als es an der Tür klingelte, stand sie gerade auf einer Leiter und kämpfte mit einem Spinngewebe von kankraschen Ausmaßen. Sie überlegte, das Klingeln zu ignorieren, aber es hörte und hörte nicht auf.
    Missmutig stieg sie von der Stehleiter und ging zur Tür.
    Es war John Childs. Er stand da und wirkte im Gegensatz zu dem Durcheinander hinter ihr noch adretter und ordentlicher als sonst. Sein liebenswertes Lächeln wurde nicht breiter, aber es erstarb auch nicht, während er ihre zerzauste Erscheinung musterte.
    »Ich hatte mir vorgestellt, Sie würden es sich an Ihrem ersten Tag ohne die Mühsal des Arbeitslebens schön gemütlich machen«, sagte er. »Vielleicht hätte ich es besser wissen müssen.«
    Bei Homewood war es leichter gewesen, so zu tun, als wäre ihr Abschied aus vernünftigen Gründen und in gegenseitigem Einvernehmen erfolgt.
    Bei Childs sah sie keinen Grund, diesen Schein zu wahren.
    »Was wollen Sie?«, fragte sie kühl.
    »Mich entschuldigen«, sagte er. »Und mit Ihnen über Wolf sprechen.«
    Das, so wurde ihr klar, war vermutlich die einzige Antwort, die ihm Einlass in ihre Wohnung verschaffen konnte. Sie vermutete, dass er immer die richtige Antwort parat hatte, ganz gleich, an wessen Tür er klopfte.
    Sie ließ ihn selbst einen Sessel frei räumen und sie bot ihm keinen Kaffee an, teils weil sie ihm nicht das Gefühl geben wollte, er wäre willkommen, aber hauptsächlich, weil die Küche Sperrgebiet war, ehe sie nicht alle Schränke wieder eingeräumt hatte.
    »Also, entschuldigen Sie sich«, sagte sie.
    »Es tut mir ehrlich leid, Sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen für die Stelle in Parkleigh angeworben zu haben. Ich gehe davon aus, dass Sie inzwischen aufgrund Ihres eigenen scharfen Intellekts und der Informationen, die Ihnen der geschätzte Chief Officer Proctor geliefert hat, vollauf im Bilde sind. Falls Ihr Selbstwertgefühl durch die Erkenntnis, dass Sie weniger wegen Ihrer positiven Qualitäten als vielmehr wegen Ihrer Jugend und Unerfahrenheit eingestellt wurden, irgendwelchen Schaden genommen hat, so sollte der behoben werden können, indem Sie mir nicht nur glauben, sondern vor allem sich selbst vor Augen führen, dass Sie Ihre Aufgaben in vorbildlicher Weise und mit einer Sachkundigkeit bewältigt haben, die Ihre Jugend Lügen straft. Das Loblied, das Simon Homewood in Ihrem Zeugnis sicherlich auf Sie singen wird, entspricht voll und ganz der Wahrheit, und Sie haben es absolut verdient.«
    Er hielt inne. Sie quittierte seine Rede mit einem ironischen Händeklatschen und merkte dabei, dass sie noch immer Gummihandschuhe trug.
    »Nette Entschuldigung«, sagte sie. »Sie mussten sich bestimmt eine halbe Stunde von Ihren Phöniziern losreißen, um sie zu formulieren und einzustudieren.«
    »Ich bitte um Verzeihung«, sagte er. »Es will mir einfach nicht gelingen, spontan zu klingen, selbst wenn ich genau das bin. Ich habe unsere Bekanntschaft aufrichtig genossen, und ich bereue sehr, dass diese nun wahrscheinlich beendet ist.«
    »Wahrscheinlich!«, entfuhr es ihr.
    »Das Leben birgt mehr Überraschungen als Gewissheiten«, sagte er. »Und je besser ich Sie kennenlernen durfte, desto stärker wurde meine Vermutung, dass Sie mich überraschen würden. Das wäre also meine Entschuldigung. Wir alle werden bis zu einem gewissen Grad von

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