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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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für ihren Verdacht hatte, Childs’ Leute hätten die Renovierung des Gefängnisses genutzt, um in jedem Winkel Abhörmikrofone einzubauen. Aber sie war zu ehrlich, um sie für wichtiger zu halten als die Einsicht, dass sie einfach nur froh war, diesen Job los zu sein.
    Erkenne dich selbst ist ein gutes, wenn nicht sogar notwendiges Motto für Psychiater. Und sie war bereit, sich einzugestehen, dass die Zeit in Parkleigh ihrer Selbsterkenntnis mehr als zuträglich gewesen war.
    Ihr Vater hatte sich ein Hab ich doch gleich gesagt verkniffen, als sie ihm die Neuigkeit am Telefon unterbreitete, aber er hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er es für eine frohe Botschaft hielt.
    »Jetzt such dir nicht gleich wieder einen neuen Job«, sagte er. »Lass dir Zeit, sieh dich in Ruhe um. Und vor allem, Elfe, nimm dir die Zeit, herzukommen und deinen armen alten Dad vor diesem schwedischen Ungeheuer zu retten, das ihn an die Wand gekettet hat! Ich sieche dahin und krieg immer bloß Salat zu futtern. Wenn es nach ihm ginge, würde ich sechs Stunden täglich in der Sauna verbringen und mich mit Weidenruten geißeln. Ich hab diesen Monat Geburtstag, und ich wette, es lässt mich nicht mal ein Stück Kuchen essen, wenn du nicht da bist!«
    An dieser Stelle hatte sich das »schwedische Ungeheuer« eingeschaltet und ließ ausrichten, es hoffe, die Tochter würde so schnell wie möglich kommen, weil Ike jetzt sogar noch schwerer unter Kontrolle zu halten sei als vor seinem Herzinfarkt.
    Und Alva, die aus den Stimmen der beiden Liebe heraushörte und den Wunsch, sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass es ihr wirklich gut ging, hatte Mühe, ihre Stimme munter und ruhig klingen zu lassen, als sie ihnen versprach, zu Ikes Geburtstag zu kommen und mindestens eine Woche zu bleiben.
    Sie hatte ihre Gefühle für Hadda und ihre Besorgnis wegen seiner möglichen Pläne und seiner Zukunft in den letzten zwei Wochen beiseitegeschoben. Nachdem die Entscheidung, zu gehen, gefallen war, verspürte sie eigentlich keine Lust, noch länger zu bleiben, andererseits jedoch wollte sie sicherstellen, dass die Akten und Aufzeichnungen, die sie ihrem Nachfolger hinterließ, vollständig und auf dem neuesten Stand waren. Sie überlegte, irgendeine Art von Warnung zu hinterlassen, dass die Vertraulichkeit der Gespräche mit den Häftlingen nicht gesichert war. Aber wenn sie die Warnung zu allgemein hielt, wäre sie nutzlos, und wenn sie zu explizit war, würde sie Fragen provozieren, die Alva nicht beantworten konnte. Oder wollte.
    Sie wusste, dass es im Leben Auseinandersetzungen gab, die man ausfechten musste, auch wenn die Widerstände unüberwindlich waren und die Niederlage unausweichlich. Aber sie glaubte nicht, dass das auf diese Auseinandersetzung zutraf. Okay, die Debatte über die Rechte der Häftlinge im Gegensatz zum Allgemeinwohl war wichtig. Aber hier ging es weder um Folter noch um körperliche oder seelische Misshandlungen. Es war eher mit der Diskussion zu vergleichen, inwieweit bei Strafrechtsfällen das Anzapfen von Telefonen zulässig sein sollte. Die Leute kriegten sich zwar deswegen an die Köpfe, aber niemand opferte deswegen seine eigene Reputation oder die Freiheit eines anderen.
    War das jetzt bloß eine schönfärberische Selbstrechtfertigung?, fragte sie sich, nachdem das Hochgefühl verklungen war, das sie beim Aufwachen über ihre neu gewonnene Freiheit empfunden hatte. Sie glaubte nein, aber sie empfand fast so etwas wie Erleichterung, als sie sich vom Nachdenken über diese moralische Frage dem anderen und persönlicheren Problem zuwandte, wie sie sich jetzt Hadda gegenüber verhalten sollte.
    Sie war von seiner Unschuld überzeugt. Ihre Pflicht war es daher, diese Überzeugung öffentlich zu machen und dafür einzutreten, für eine Wiederaufnahme der Ermittlungen und des Verfahrens zu sorgen …
    Das klang alles ziemlich unkompliziert, wäre da nicht der Umstand gewesen, dass sie wohl kaum darauf zählen konnte, dass ihre vermeintlichen Mitstreiter – Doll und Ed Trapp, Davy McLucky, Wolf selbst – sie dabei unterstützen würden.
    Und das führte sie zu der nächsten, sogar noch drängenderen Frage.
    Was hatte Hadda vor – und was sollte sie deswegen unternehmen?
    Ach, Schluss damit – genieße deinen ersten Morgen als freie Frau!, sagte sie sich.
    Sie schlug die Decke zurück und stand auf.
    Die Morgendämmerung überzog den Himmel mit einem zarten Rosa. London kam rumorend wieder zu vollem Bewusstsein.

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