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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Im Gegenteil, die beiden verstanden sich sogar recht gut, und meine Liaison mit Leons Tochter entzweite sie nicht etwa, sondern brachte sie noch näher zusammen.
    Sie fanden beide, dass es eine hundsmiserable Idee war.
    Aber das lag damals noch weit in der Zukunft.
    Zunächst scheint sich alles gut angelassen zu haben. Birkstane war für Dads Arbeit fast ebenso praktisch gelegen, wie es das Dienstcottage gewesen war. Mam machte sich im Farmhaus ans Werk und rettete es vor der drohenden Verwahrlosung, während Carrie in ihrer vertrauten Umgebung jetzt, da ständig jemand bei ihr war, neuen Lebensmut schöpfte.
    All das wurde mir erst später klar. So jung, wie ich war, habe ich nur vage Erinnerungen an jene ersten Jahre in Birkstane, aber ich muss rundum glücklich gewesen sein, denn ich weiß noch genau, was ich empfand, als sie mir sagten, dass Mam tot ist. Nein, nicht, als sie es mir sagten; ich meine, als ich endlich begriff, dass tot sein hieß, für immer fort zu sein, ich Mam also nie wiedersehen würde.
    Ich war im zweiten Schuljahr. Es hatte ein ganzes Jahr gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte, tagsüber von meiner Mam getrennt zu sein. Diese neue und endgültige Trennung war ein Verlust, der durch nichts und niemand gelindert werden konnte. Ich war viel zu jung und viel zu sehr mit meinem eigenen Schmerz beschäftigt, um mitzubekommen, was dieser Schicksalsschlag mit meinem Vater anstellte, aber ich vermute, er war nach ihrem Tod völlig hilflos, denn soweit ich mich entsinnen kann, hatte er nie die Kraft, mich zu trösten. Ich schätze, wenn ich auf mich aufmerksam gemacht hätte, hätte vielleicht jemand versucht, sich um mich zu kümmern, aber ich denke, ich musste wohl auf alle, die mich in meiner eigenen Glasglocke aus Trauer sehen und hören konnten, einen halbwegs normalen Eindruck gemacht haben. Ich glaube sogar, viele Leute hielten es für einen Segen, dass ich offensichtlich noch zu klein war, um das alles richtig zu begreifen, und sie meinten, es wäre das Beste, mich so zu behandeln, als wäre nichts Wichtiges passiert.
    Dabei entging ihnen, dass ich unter dieser Glasglocke selbst so gut wie tot war, und ich denke, als ich allmählich wieder ins Leben zurückfand, fasste ich unbewusst den Vorsatz, mich nie wieder in eine Lage zu begeben, in der der Verlust eines einzelnen Menschen mir solchen Schmerz bereiten konnte.
    Da noch immer eine Frau im Haus war, kam niemand auf die Idee, sich meiner annehmen zu müssen. Und weil Carrie in den fünf Jahren, die wir bereits bei ihr lebten, anscheinend wieder ganz die alte geworden war, zweifelte niemand daran, dass sie eine gute Betreuerin und Hausfrau abgab.
    Die Wirklichkeit sah völlig anders aus. Durch ihre eingeschränkte Beweglichkeit fiel es ihr schwer, mit einem ungestümen kleinen Jungen fertigzuwerden, und ohne die korrigierende Gegenwart meiner Mam machten sich die alten Gedächtnisaussetzer (die ersten Anzeichen von Alzheimer, wie später diagnostiziert wurde) nun sehr viel häufiger bemerkbar. Was Fred, meinen Dad, anging, so ging er morgens zur Arbeit und kam meist erst zum Tee wieder, wie wir das Abendessen nannten. Je vergesslicher Carrie wurde, desto exzentrischer gerieten die Lebensmittelkombinationen, aus denen sie uns etwas zusammenbrutzelte, aber keiner von uns störte sich groß daran – ich, weil ich zu jung war, um irgendwelche Vergleiche anzustellen, und Dad, weil er jede Mahlzeit mit zwei Flaschen starkem Ale einleitete und sie mit zwei weiteren runterspülte, ehe er zum Black Dog in Mireton fuhr. Er mied erfolgreich das Auge des örtlichen Gesetzes, indem er seinen alten Defender über Waldwege steuerte, die er wie seine Westentasche kannte, und ihn am Rande seines Reviers stehen ließ, um die letzte Viertelmeile zum Dog zu Fuß zu gehen.
    Verzeihung, ich hab mich sehr viel ausführlicher als beabsichtigt mit diesem frühkindlichen Traumazeug beschäftigt und ich weiß, Sie interessieren sich doch eigentlich nur dafür, wie Imogen und ich zusammengekommen sind. Aber ich wollte versuchen, Ihnen von Anfang an klarzumachen, was für ein Jugendlicher ich war, und um das zu verstehen, müssen Sie auch den Rest wissen.
    Um es kurz zu machen, da es mir instinktiv widerstrebt, irgendjemandem nahe zu kommen, und ich mir zu Hause praktisch gänzlich selbst überlassen war, verwilderte ich. Im wahrsten Sinne des Wortes. Jede freie Minute stromerte ich durch die freie Natur. Dank einer gewissen angeborenen Schlauheit war ich mir der

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