Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
und machte sich eine Notiz. »Machen wir also einen Sprung. Als Einundzwanzigjähriger tauchen Sie wieder auf. Sie haben einen Koffer voll Geld, reden wie ein Gentleman, können mit Messer und Gabel essen und sind überhaupt ziemlich auf Zack. Wie hat Imogen Sie begrüßt?«
»Sie hat mich zum Dinner ins Schloss eingeladen. Es waren noch ein paar andere Gäste da. Sir Leon war sehr höflich zu mir. Lady Kira beobachtete mich wie die Schneekönigin, sagte aber so gut wie kein Wort. Ich beteiligte mich am Gespräch, schaffte es, das Besteck richtig zu benutzen und keine Weingläser umzustoßen. Nach dem Dinner nahm Imogen mich mit nach draußen in den Garten, angeblich damit ich einen sachkundigen Blick auf eine neue Magnolie warf, die an Stelle einer anderen, im Winter abgestorbenen gepflanzt worden war. Außer Sichtweite des Hauses blieb sie stehen und wandte sich mir zu. ›Und? Bin ich gut genug?‹, fragte ich. ›Mal sehen‹, sagte sie. Und dann stieg sie ebenso ungeniert aus ihrem Kleid, wie sie vor Jahren auf dem Pillar Rock aus ihren Shorts und Turnschuhen gestiegen war. Hinterher sagte sie: ›Du bist gut genug.‹ Ein paar Monate später waren wir verheiratet.«
»Trotz der Einwände vonseiten der Familie?«
»Da hatten wir schon einen Trumpf im Ärmel. Imo war schwanger. Mit Ginny. Was aber für Dad und Sir Leon nichts änderte. Die waren noch immer gegen die Heirat. Nur Lady Kira schien einzusehen, dass unter diesen Umständen eine Hochzeit vernünftiger war, und das genügte. Sie bestimmt im Schloss, wo’s langgeht. Schon immer. Dem armen Leon blieb also keine andere Wahl, als seinen Segen zu geben und die Mottenkugeln aus seinem Cutaway zu schütteln, um die Braut zum Altar zu führen.«
»Der arme Leon«, echote Alva. »Das klingt, als täte er Ihnen leid.«
»Wieso nicht? Er ist schließlich mit der Schneekönigin verheiratet. Nein, im Ernst, auch wenn er mich nicht als Schwiegersohn haben wollte, ich hab mich immer gut mit Leon verstanden. Und er hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um die Sache zwischen meinem Dad und mir wieder ins Lot zu bringen. Die ersten beiden Male hat er es auch fast geschafft. Beim dritten Mal wäre es vergebliche Liebesmüh gewesen.«
»Ich versteh nicht ganz …«
Hadda sagte düster: »Überlegen Sie doch mal. Es heißt doch, aller guten Dinge sind drei. Wenn einer davon ein Lied singen kann, dann Fred. Als Erstes verschwinde ich für fünf Jahre. Als Zweites heirate ich Imogen, obwohl er dagegen ist und es für falsch hält. Als Drittes lande ich als Betrüger und Kinderschänder im Knast. Dreimal hab ich ihm das Herz gebrochen. Von dem letzten Mal hat es sich nicht mehr erholt.«
Und wem gibst du dafür die Schuld?, fragte Alva sich. Aber das war nicht der richtige Moment, um aggressiv zu werden, wo sie ihn doch gerade dazu gebracht hatte, über eine der wohl wichtigsten Beziehungen in seinem Leben zu sprechen.
Sie sagte: »Aber die ersten beiden Male hat Leon versucht zu vermitteln?«
»Oh ja. Ich denke, er hatte erkannt, dass Dad und ich vom selben Schlag waren. Uns selbst überlassen, hätten wir wahrscheinlich nie wieder miteinander geredet! Keine Ahnung, was er zu Fred über mich gesagt hat, aber er hat mir erzählt, dass er nach meinem Verschwinden oft mit Imogen in den Wald gegangen ist und sie manchmal an der alten Eberesche Dad gesehen haben, wie er gegen den Stamm gelehnt einfach nur dasaß und ins Nichts starrte, völlig weggetreten. Manchmal liefen ihm Tränen übers Gesicht. Hat mich ganz schön getroffen, als ich das hörte. Und deshalb hab ich immer, wenn ich Dad am liebsten gesagt hätte, er könnte sich von mir aus ruhig wie ein sturer alter Esel aufführen, daran gedacht, was Leon mir erzählt hatte, und es mir dann verkniffen. Nach und nach besserte sich die Stimmung zwischen uns. Und als Ginny geboren wurde …«
Er verstummte unvermittelt und starrte sie an, als wollte er sagen: Wage es nicht, mich nach meiner Tochter zu fragen.
Sie sagte: »Aber zur Hochzeit ist Fred nicht gekommen.«
»Oh nein«, sagte Wolf und entspannte sich. »Das wäre zu viel des Guten gewesen. Ich hab bis zur letzten Sekunde gehofft, dass er doch noch kommen würde. Dann, als die Trauung losging, hatte ich Angst, er könnte auftauchen.«
»Warum?«
»Die Stelle, wo der Vikar fragt, ob jemand einen Hinderungsgrund gegen die Eheschließung sieht, da malte ich mir aus, wie die Kirchentür auffliegt, Fred mit seiner Axt reinkommt und brüllt: ›Wie wär’s denn
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