Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
den angeblichen Zuneigungsbeweisen neuer Bekannter stets skeptisch gegenüber. Aber die Menschen mochten mich anscheinend, und so hatte ich irgendwann doch einen kleinen Kreis von Freunden um mich geschart, auf die ich einmal die altmodische Bezeichnung treu und zuverlässig angewendet hätte.
Keiner dieser Treuen und Zuverlässigen machte Anstalten, mich zu kontaktieren oder im Krankenhaus zu besuchen. Arschlöcher!, dachte ich. Aber wieso hätte sich einer von ihnen als treuer und zuverlässiger erweisen sollen als meine eigene Frau und mein guter Freund und Anwalt Toby Estover?
Der Einzige, bei dem ich sicher war, dass er sich mir gegenüber loyal verhalten würde, war Johnny Nutbrown.
Wie ich Ihnen bereits geschildert habe, war meine erste Begegnung mit dem fünfzehnjährigen Johnny alles andere als vielversprechend gewesen. Als ich nach meinen Jahren im Feenland zurückkehrte, stellte ich ziemlich überrascht fest, dass er sich noch immer in Imogens Dunstkreis aufhielt. Johnny fühlt sich zwar überall wohl, aber er macht nie den Eindruck, irgendwo so richtig dazuzugehören. Natürlich hatte er dieselben Schulen besucht wie manche von ihnen, einschließlich Estover, und außerdem hatte er sich ziemlich heftig in Imos beste Freundin Pippa Thursby verliebt. Somit gab es genug Gründe, warum er sich noch immer am Rande ihres kleinen magischen Kreises bewegte.
Aber er schien nie wirklich dazuzugehören, was in meinen Augen für ihn sprach.
Imogen hatte sich garantiert einiges von ihren Freunden anhören müssen, als sie verkündete, dass sie mich heiraten würde. Sie hat mir nie irgendwas davon erzählt, und selbst wenn, es hätte mir nichts ausgemacht. Offen gestanden, fand ich die meisten von ihnen so überflüssig wie einen Kropf. Das einzige Interesse, das sie an mir hatten, war eine schmierige Neugier im Hinblick auf meine sexuelle Leistungsfähigkeit, die ihrer Meinung nach der einzige Grund für Imogens Faible für mich sein konnte. Ich denke, ich hätte wahrscheinlich die ganze Bagage bumsen können, die Männer genau wie die Frauen, wenn ich gewollt hätte.
Aber Johnny sah mich anders. Später, als wir uns nahe genug gekommen waren, um ehrlich zu sein, gestand er mir mit seinem typischen zynischen Grinsen: »Die anderen haben dich angesehen und gedacht gut im Bett ; ich hab dich angesehen und gedacht gut mit Geld . Der Typ wird irgendwann jede Menge Kohle machen.«
Ich konnte mich über diese ökonomische Basis unserer Beziehung kaum beschweren, da ich selbst erst anfing, mich für ihn zu interessieren, als ich erkannte, dass mir noch nie jemand begegnet war, der so gut mit Zahlen jonglieren konnte. Wenn diese Fähigkeit mit einem unternehmerischen Geist einhergegangen wäre, hätte er selbst das Zeug zu einer furiosen Wirtschaftskarriere gehabt.
Mir wurde bald klar, dass wir füreinander geschaffen waren.
Die Sache war die, dass Johnny so ziemlich alles erreichen konnte, solange ihm jemand sagte, wo’s langging.
Ein alter Schulkamerad von ihm – genauer gesagt, Toby Estover, mein ehemaliger Anwalt und ehemaliger Freund – erzählte mir einmal von Johnnys erstem Einsatz beim Schülerrugby. Er ließ weder Interesse noch Talent erkennen, und bei einem Trainingsspiel wies man ihm die Position des Außenläufers zu. Als ihm das erste Mal der Ball zugeworfen wurde, fing er ihn mit einer Hand auf, blieb stehen und betrachtete ihn mit gelindem Interesse, bis sich etliche Gegenspieler auf ihn stürzten. Als er wieder auf die Beine kam, nahm der Sportlehrer ihn sich zur Brust: »Um Himmels willen, Nutbrown, ich erwarte ja nicht, dass du Wunder vollbringst, wenn du den Ball kriegst, aber ich erwarte, dass du irgendwas tust.«
»Ja, Sir. Was genau?«, erwiderte Nutbrown.
»Also, im Idealfall wäre es schön, wenn du so schnell du kannst nach vorne stürmst, ohne dich von jemandem aufhalten zu lassen, bis du die beiden hohen Pfosten erreichst, die da aus dem Boden ragen, und den Ball behutsam zwischen ihnen ablegst. Falls das nicht geht, was ich stark vermute, kickst du ihn einfach, so weit du kannst!«
»Ja, Sir«, sagte Johnny.
Als er das nächste Mal den Ball bekam, flitzte er Haken schlagend und in einem Affenzahn übers ganze Spielfeld, ohne dass irgendwer ihn packen konnte, und legte den Ball zwischen den Pfosten ab. Das Problem war nur, dass er sich beim nächsten Mal für die zweite Anweisung entschied und den Ball so weit kickte, wie er konnte, und zwar schräg über eine Pappelreihe hinweg,
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