Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
entlanggingen, sagte Proctor: »Lust auf ein Tässchen, Miss?«
    Das war etwas Neues. Sie wusste, dass Proctor ein eigenes kleines Büro gleich neben dem Aufenthaltsraum der Wärter hatte, aber sie war noch nie drin gewesen.
    Neugierig, was wohl hinter seinem unverhofften Anfall von Leutseligkeit stecken mochte, sagte sie: »Sehr gern.«
    Das Zimmer war klein und funktional. Das Mobiliar bestand aus einem Schreibtisch, zwei unbequemen Stühlen und einem Aktenschrank, auf dem ein kleines Transistorradio stand.
    Proctor sagte: »Nehmen Sie Platz, Miss, ich hol uns schnell nebenan einen Tee. Milch und Zucker?«
    »Nur Milch«, sagte sie.
    »Alles klar. Bin gleich wieder da. Möchten Sie etwas Musik hören, während ich weg bin?«
    Ohne ihre Antwort abzuwarten, schaltete er das Radio ein. Es war auf einen Musiksender eingestellt, der anscheinend nonstop Hardrock spielte. Die Musik schallte so laut von den Wänden wider, dass es schon beinahe wehtat, aber Alva traute sich nicht, sie leiser zu drehen, um diesen Moment der Annäherung nicht zu gefährden.
    Proctor kam mit zwei Bechern Tee aus dem Aufenthaltsraum zurück. Er stellte ihr einen hin und ging mit dem zweiten auf die andere Seite des Schreibtischs, wo er Platz nahm.
    »Prost«, sagte er.
    »Prost.«
    Sie tranken beide einen Schluck. Der Tee war extrem stark. Alva war froh, dass sie um Milch gebeten hatte.
    »Sie und Mr Homewood scheinen sich gut zu verstehen«, sagte Proctor.
    Alva musste sich über den Tisch lehnen, um ihn über den Lärm des Radios hinweg zu verstehen, der Chief Officer hingegen schien so daran gewöhnt zu sein, dass es ihn nicht störte.
    »Ja, ich würde sagen, dass wir ein gutes Arbeitsverhältnis haben«, antwortete Alva vorsichtig. Sie spürte, dass Proctor nicht einfach nur Konversation machte, daher hielt sie Vorsicht für angebracht, bis sie wusste, worauf er hinauswollte. Ihr erster Verdacht war der, dass er Homewoods Gefühle für sie bemerkt hatte und es aus irgendeinem Grund für seine Aufgabe hielt, ihr dringend zu raten, den Direktor nicht zu animieren. Was, wenn sie damit richtig lag, eine ausgemachte Frechheit war!
    »Gefängnisse sind was Eigenartiges«, sprach er weiter. »Mit Höhen und Tiefen, jeder Menge seltsamer Stimmungen, da kommt man leicht auf komische Ideen.«
    War er vielleicht in seiner Freizeit Sektenprediger und wollte ihr hier eine strenge moralische Standpauke halten?
    Sie sagte: »Ja, da haben Sie wohl recht, George. Sie müssen das ja am besten wissen. Weil Sie schon so lange hier sind, meine ich.«
    »Wohl wahr«, sagte er. »Aber die ein oder andere Meinungsverschiedenheit wird’s ja wohl auch mal geben. Zwischen Ihnen und dem Direktor, meine ich.«
    »Eigentlich nicht«, sagte sie nachdrücklich. »Ich glaube, wir sind durchaus auf der gleichen Wellenlänge.«
    »Das ist gut. Allerdings, bei Dr. Ruskin und dem Direktor war das auch so, bis sie sich zerstritten haben.«
    Natürlich war Alvas Vorgänger gelegentlich erwähnt worden, seit sie die Stelle übernommen hatte, doch nun hörte sie zum ersten Mal von einem Konflikt.
    »Ich wusste nicht, dass sie sich zerstritten hatten«, sagte sie.
    »Doch, doch. Ich meine, deshalb wurde ja auch die Stelle frei.«
    Das war sogar noch überraschender.
    »Nein, der Grund war doch wohl der Autounfall?«, sagte sie.
    »Nun ja, weil er bei dem Unfall gestorben ist, mussten sie nicht zugeben, dass er gekündigt hatte. Das behalten wir lieber für uns, hat Mr Homewood gesagt.«
    »Wieso musste er Ihnen das sagen, George?«, fragte Alva.
    »Weil ich mit dem Tagesbericht vor seinem Büro gewartet hab, als es zu dem Krach zwischen ihnen kam. War nicht zu überhören, so laut haben sie sich angebrüllt. Vor allem Dr. Ruskin. Dann ist er aus der Tür gerauscht und hat geschrien: ›Spätestens heute Abend haben Sie meine schriftliche Kündigung auf dem Schreibtisch.‹ Ich hab noch fünf Minuten gewartet, ehe ich reingegangen bin, aber der Direktor wusste, dass ich schon länger da war. Deshalb hat er mich drauf angesprochen, als Dr. Ruskin zwei Tage später dann den Unfall hatte. Er meinte, wir sollten das mit Dr. Ruskins Kündigung lieber für uns behalten. Dann würde Dr. Ruskins Witwe keine Probleme bekommen, wegen der Rente und so.«
    Alva musste das erst mal verarbeiten, dann sagte sie: »Und warum behalten Sie es jetzt nicht auch für sich, George?«
    »Ach, bei Ihnen ist das was anderes, Miss. Sie gehören zur Familie. In einer Familie sollte es keine Geheimnisse

Weitere Kostenlose Bücher