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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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kleines Boot auf rauer See, und sein Fahrer Luke Hollins verzog jedes Mal das Gesicht, wenn er in ein neues Wellental eintauchte. Sein einziger Trost war, dass er eine Viertelmeile durch knöcheltiefen Schlamm hätte stapfen müssen, wenn die Straße nicht gefroren gewesen wäre. Andererseits wäre es vielleicht klüger gewesen, zu Fuß zu gehen. Als Landvikar, der gleich vier Pfarrbezirke zu betreuen hatte, konnte er sich keinen ernsthaften Schaden an den Stoßdämpfern leisten. Sein Gehalt war nämlich kein Vierfaches. Im Jahre des Herrn 2017 musste die Kirche von England ihren Geistlichen kein Armutsgelübde mehr abnehmen. Das war unnötig, wenn Armut sozusagen automatisch mit dem Beruf einherging!
    In Sichtweite des Hauses versperrte ihm ein klappriges altes Tor den Weg. Er stieg aus, schob es mühsam ein Stück auf und beschloss, den Rest zu Fuß zu gehen. Als er näher kam, konnte er Spuren des Angriffs sehen, der ihn hergeführt hatte. Eingeschlagene Fenster, notdürftig mit Pappe geflickt, das Scheunentor war angekohlt und quer über die Mauer des Wohnhauses in roter Farbe die Worte: Verpiss dich, Kinderschänder!
    Hätte er irgendetwas tun können, um das zu verhindern? Er bezweifelte es, aber er hatte trotzdem Schuldgefühle, weil er immer wieder Gründe gefunden hatte, seinen Besuch bei diesem neuen und umstrittenen Gemeindemitglied aufzuschieben, seitdem sich in der Gegend herumgesprochen hatte, dass sieben Jahre nach Freds Tod wieder ein Hadda in Birkstane lebte.
    Keiner hatte zur Begrüßung Girlanden aufgehängt.
    Jimmy Frith, Wirt im Black Dog und die Sorte Konservativer, die Torquemada wie einen Gleichstellungsbeauftragten erscheinen ließ, sprach sehnsüchtig von Folterbänken und Scheiterhaufen. Viele der einheimischen Frauen steigerten sich in hysterische Entrüstung hinein. Selbst Hollins’ Frau, eine ausgesprochen unorthodoxe Vikarsgattin, machte keinen Hehl daraus, dass sie in diesem Fall nichts von Toleranz hören wollte. Hollins selbst hatte Enttäuschung geheuchelt, aber unter seinem Plädoyer für Mitgefühl und Vergebung konnte er eine instinktive Sympathie für die mit Bibelzitaten untermauerte Ansicht, dass bei der besten Therapie für Pädophilie Mühlsteine eine gewichtige Rolle spielten, nicht unterdrücken.
    Dann hatte er am Vorabend auf einer Gemeinderatssitzung erfahren, dass eine Bande von jugendlichen Hitzköpfen vierundzwanzig Stunden zuvor Birkstane angegriffen hatte, um Wolf Hadda unmissverständlich klar zu machen, dass er nicht erwünscht war.
    »Die haben die Scheune in Brand gesteckt, ohne sich groß drum zu scheren, ob er drin war oder nicht«, sagte Len Brodie, der Kirchenvorsteher, Vater dreier Töchter, »aber dann hat dieser plötzliche Hagelschauer das Feuer gelöscht, und sie sind schnell wieder zurück ins Black Dog geflitzt. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie das göttliche Vorsehung nennen würden, Herr Vikar.«
    Das würde er nicht, aber er empfand es zweifellos als eine eindringliche Erinnerung daran, dass es von seiner Pflicht zur Seelsorge keine Rücktrittsklausel gab.
    Und so näherte er sich jetzt dem demolierten Haus, widerwillig und doch entschlossen wie Brownings Roland auf dem Weg zum Dunklen Turm.
    Zögernd klopfte er an die massive Eichenholztür.
    Von drinnen war kein Laut zu vernehmen, und er hob die Faust, um fester zu klopfen, doch da hörte er hinter sich ein dunkles Knurren.
    Er fuhr herum und sah sich einem großen Mann gegenüber, dessen tief vernarbtes Gesicht durch die leere Höhle an der Stelle, wo das rechte Auge hätte sein müssen, noch erschreckender wirkte. An der rechten Hand fehlten ihm zwei Finger, und sein linkes Bein sah aus, als wäre es gewaltsam abgerissen und dann mit Kunststoffkitt wieder angeklebt worden.
    Die verstümmelte Hand fiel ihm auf, weil die noch verbliebenen Finger des Mannes den Stiel einer Holzfälleraxt umschlossen, und das verstümmelte Bein, weil der Mann splitternackt war. Neben dem kaputten Bein war etwas, das aussah wie ein schlecht als Border Collie verkleideter Wolf, der vermutlich für das Knurren verantwortlich war.
    Der Vikar trat so schnell zurück, dass er gegen die Tür stieß, und rief: »Jesus Christus!«
    »Wolf Hadda«, sagte der Mann. »Freut mich Sie kennenzulernen, Mr Christus. Für einen Moment hab ich gedacht, Sie wären einer von diesen Lümmeln und wollten es noch mal versuchen.«
    »Nein, Verzeihung, ich heiße nicht … ich meine … ich war nur ein bisschen überrascht …«
    Er

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