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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Leon in einen weißhaarigen Patriarchen verwandelt hatten, waren mit ihr sehr viel freundlicher verfahren, und jetzt hätten die zweiundzwanzig Jahre Altersunterschied zwischen ihnen gut das Doppelte betragen können. Mit sechzig war sie noch immer eine sehr attraktive Frau, wenn man hagere und raubtierhafte Frauen mochte. Mitunter hatte Hollins gespürt, wie ihr durchdringender Blick über seinen Körper glitt, wenn er die Kanzel bestieg, um seine Sonntagspredigt zu halten. Seine Frau hatte gelacht und gesagt: »Wunschdenken«, als er ihr erzählte, er verstünde jetzt, was Frauen meinten, wenn sie sagten, irgendwelche Männer hätten sie mit den Augen ausgezogen. Aber er wusste, was er meinte.
    Lady Kira wartete, bis er den ersten Löffel der Süßspeise an den Mund hob, und sagte dann: »Und? Wie geht es unserem dorfeigenen Monster, Mr Collins?«
    Ihre resolute Anglophilie hatte aus ihr eine begeisterte Bewunderin von Jane Austen gemacht (Dickens war ihr außer an Weihnachten viel zu radikal), und bei den wenigen Gelegenheiten, die sie den Vikar direkt ansprach, nannte sie ihn stets Mr Collins. Sir Leon hielt es ebenso, und in seinem Fall mochte das ein echter Fehler sein. Nicht jedoch bei Lady Kira.
    Einen Moment erwog er, sich zu revanchieren, indem er vorgab, nicht zu wissen, von wem sie sprach, aber irgendwie schien es ihm nicht die Mühe wert.
    Er ließ den Löffel sinken und sagte bedächtig: »Ich würde Mr Hadda nicht als körperlich gesund bezeichnen, aber er scheint großen Wert auf Unabhängigkeit zu legen. Er hat zwar ein Auge und ein paar Finger verloren, doch sein Oberkörper macht einen durchaus fitten Eindruck, und natürlich trainiert er seine Schultermuskulatur regelmäßig durch die Arbeit mit der Axt. Leider muss ich jedoch sagen, dass sein beschädigtes Bein ihm noch immer erhebliche Schmerzen bereitet. Vielleicht ist das kalte Wasser da nicht gerade förderlich.«
    »Erhebliche Schmerzen?«, echote Lady Kira mit sichtlichem Genuss. »Na, immerhin etwas. Und seine Geistesverfassung? Wie schätzen Sie seine Geistesverfassung ein, Mr Collins?«
    »Er scheint sein Los mit großem Gleichmut zu tragen«, Lady Kira.«
    »Was Sie nicht sagen. Tja, dasselbe kann ich von mir nicht behaupten, seit man ihm erlaubt hat, förmlich vor unserer Haustür zu kampieren.«
    »Der Bursche hat das Recht, in seinem eigenen Haus zu wohnen, Liebes«, wandte ihr Ehemann ein.
    »Es wäre kein Haus mehr da, wenn du es abgerissen hättest, während er seinen unglaublich kurzen Kuraufenthalt im Gefängnis genoss«, fauchte Lady Kira. »Und wie kommt es überhaupt, dass er noch ein Haus hat, wo doch seine sämtlichen anderen Immobilien verkauft werden mussten, um für seine Betrügereien zu bezahlen, was unsere Tochter praktisch obdachlos gemacht hat!«
    »Ich denke, du übertreibst ein wenig, Liebes«, sagte Sir Leon und bat Hollins mit einem kurzen Seitenblick um Verständnis. »Wie ich bereits erklärt habe, waren die Woodcutter-Finanzen zum Zeitpunkt von Freds Tod längst abgewickelt, so dass niemand mehr Anspruch auf Birkstane erheben konnte, als Wolf es erbte. Alles nach Recht und Gesetz.«
    »Recht und Gesetz!«, rief seine Frau. »Ich dachte, Recht und Gesetz würden dafür sorgen, dass solche Perverslinge nicht mal in die Nähe unserer Kinder kämen. Was ist mit der Dorfschule?«
    Das war das erste Mal, dass sie ein gewisses Interesse für die Dorfschule an den Tag legte, obwohl Hollins zuvor versucht hatte, die Unterstützung des Schlosses beim Widerstand gegen die kommunalen »Rationalisierungsmaßnahmen« zu gewinnen, die vorsahen, die Grundschule von Mireton zu schließen und die paar Dutzend Dorfkinder per Bus fünfzehn Meilen weit in eine größere Schule zu karren.
    Er sagte: »Birkstane liegt sieben Meilen vom Dorf entfernt, Lady Kira. Außerdem, wenn wir den Gemeinderat nicht zum Umdenken bewegen, wird die Schule nächsten Sommer geschlossen.«
    Sir Leon rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Der arme Kerl hat das Gefühl, nicht genug für die Kampagne getan zu haben, vermutete Hollins. Aber im ganzen Landkreis wusste jeder, wer im Schloss das Sagen hatte.
    »Viel Aufregung um nichts, was, Herr Vikar? Die hätten Wolf ja wohl kaum vorzeitig rausgelassen, wenn er nicht geheilt wäre.«
    »Geheilt?«, rief Lady Kira. »Soll das heißen, sie haben ihn mit einer Kastrierzange behandelt?«
    Hollins musste kurz daran denken, wie er Hadda das erste Mal gesehen hatte, und unterdrückte ein Schmunzeln, als

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