Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt (German Edition)
noch war sie in seinen Händen wie Watte.
Derek dachte sich seinen Teil, dessen war sich Chelsea sicher. Leo behandelte ihn mit zu dick aufgetragenem, ehrerbietigem Respekt, und Derek durchschaute ihn, das konnte sie sehen. Es gab niemanden, auf dessen Meinung sie mehr Wert gelegt hätte, was nach all den Jahren sicher seltsam war. Und sie wollte, dass er Gutes von ihr dachte. Er hatte ihr eine Chance gegeben, als es niemand anderes tun wollte – als ihre Mutter und ihre Schwester sie einfach fallenlassen hatten. Ja, Derek war eine zwielichtige Gestalt, die dubiosen Geschäften nachging, aber manchmal hätte Chelsea doch gerne gewusst, ob er vielleicht stolz auf sie war …
Und Amber. Amber benahm sich merkwürdig, das stand fest. Sie trug ein Seidenkleid im chinesischen Stil, hatte die Haare zu einem festen Chignon geschlungen und sah aus wie eine Statue: klassisch schön und distanziert, wie aus Porzellan. Sie saß sehr aufrecht da, beantwortete Fragen, als habe sie den Autopiloten eingeschaltet, und rührte ihr Sushi kaum an. Sie hätte auch durchaus ein paar Pfund loswerden können, stellte Chelsea mit Befriedigung fest. Die Auszeit in Mexiko war offensichtlich eine Enchilada-Party gewesen.
Eigentlich war sie es, Chelsea, die die ganze Arbeit leistete: Sie machte Konversation mit Mum, hielt das Gespräch der anderen untereinander in Gang, sorgte dafür, dass alle Gläser – ihres eingeschlossen – voll blieben, und streichelte unterm Tisch Leos Bein weit genug oben, so dass er immer wieder zusammenzuckte und den ganzen Abend über halbwegs erregt blieb. Sie selbst war heute ziemlich scharf. Vielleicht lag es daran, dass sie Amber in dieser besonderen Konkurrenzsituation geschlagen hatte. Gegen Ende des Essens, als Chelsea Leo unbemerkt unterm Tisch massierte, ertappte sie Amber dabei, wie diese sie ungerührt anstarrte. Als ob sie Bescheid wusste.
Der Blick aus Ambers grünen Augen bohrte sich in sie.
Chelsea erwiderte ihn, die Zähne zusammengepresst.
»Reichst du mir bitte die Butter, Amber?«, fragte Chelsea aufgesetzt fröhlich. »Sie scheint immer an deinem Tischende festzuhängen, ich weiß auch nicht, warum.«
Amber schob den Butterteller mit einer einzigen flüssigen Bewegung über die Tischdecke. Chelsea lächelte. Sie konnte nicht anders, aber es war noch immer etwas Besonderes für sie, in der besseren Position zu sein als ihre Schwester. Tatsächlich fühlte es sich sogar absolut großartig an.
Sobald die Teller abgeräumt waren und nur noch die Gläser auf dem Tisch standen, hoffte Chelsea, dass sie den Nachtisch auslassen konnten. In L. A. aß niemand ein Dessert; auf der Liste der Dinge, die »man einfach nicht tat«, stand das ähnlich weit oben wie Inzest. Sie wollte hier raus, wollte zu Leo und vögeln, bis ihr die Sinne schwanden. Sie sah sich nach einem Kellner um, um Kaffee zu bestellen.
»Wer möchte einen …«
Und dann nahm der Abend eine Wendung.
»Moment, Chelsea.«
Amber legte ihre Hände flach auf den Tisch und stemmte sich hoch, als kostete das Aufstehen sie große Mühe.
Sie nahm ihr Glas in die Hand und hob das Kinn, und Chelsea stellte plötzlich fest, wie viel Autorität ihre Schwester ausstrahlen konnte. Sie hatte noch nie erlebt, dass Amber die Situation eindeutig kontrollierte. Sie war cool, gelassen, nahezu beängstigend.
Und das gefiel Chelsea gar nicht.
Amber begann zu sprechen.
»Ich möchte einen Toast ausbringen«, sagte sie. Derek und Margaret hörten auf, sich zu streiten, und schauten stolz zu Amber auf; die Liebe in ihren Augen versetzte Chelsea einen Stich. »Es ist schön, hier zu sein«, fuhr Amber lächelnd fort. Ihre Augen glitzerten, und Chelsea empfand plötzlich ein dumpfes Unbehagen, obwohl sie nicht wusste, warum. War ihre Schwester betrunken?
»Ja!«, sagte Leo enthusiastisch, und Chelsea wandte sich ihm verärgert zu.
»Sei doch still«, zischte sie.
»Ja, es ist schön, hier zu sein. Mit Mum, meinem Onkel Derek, Leo … und natürlich mit meiner großen Schwester Chelsea. Oh ja.«
Sie hob das Glas. Derek hob seines ebenfalls und murmelte etwas, aber niemand tat es ihm nach.
Ein unschönes Lächeln huschte über Ambers hübsches Gesicht. »Ich trinke auf dich, liebe Chelsea. Auf verschiedene Dinge. Ein paar Kleinigkeiten wollte ich erwähnen.«
Wovon redete sie nur? Chelsea nahm die Hand von Leos Schenkel und rieb sie sich an ihrem Seidenkleid ab.
Amber sah ihr direkt in die Augen. Es kam Chelsea fast so vor, als seien sie
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