Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt (German Edition)
und ihn von der Bank geschubst, und natürlich hatten alle gelacht. Ja, die gute alte Chelsea, die Seele jeder Party, wie immer sternhagelvoll, aber umso lustiger …
Sie blickte in ihren Schoß und betrachtete mit Abscheu ihre Oberschenkel auf den klebrigen Kunstledersitzen. Sie fand sich fett. Wer sollte sie ernsthaft wollen? Unwillkürlich dachte sie an Amber, die perfekte, blonde, höfliche Amber mit der glockenreinen Stimme und den guten Manieren, an ihre schlanke, großartige Figur und die kleinen festen Brüste. So etwas wollten die Leute sehen, und nicht einen aufgequollenen, übergewichtigen, hässlichen Teenie, dem von seinem kurzen Ruhm nichts geblieben war.
Verzweiflung erfasste sie, und sehnlichst wünschte sie sich, sie wäre bereits zu Hause und hätte einen weiteren Drink in der Hand. Sie griff nach ihrem Mobiltelefon, ihre neueste Errungenschaft, und überlegte, ob sie Brian anrufen sollte. Sie hatte ein paar Mal mit ihm geschlafen, aber er war verheiratet, wohnte in Loughton, Essex, und war wahrscheinlich gerade auf dem Weg nach Hause …
Langsam legte sie das Handy wieder hin. Sie schämte sich. Es war nicht richtig, andere Menschen dazu zu benutzen, sich von der Leere im eigenen Leben abzulenken.
Im Übrigen war sie ihn längst leid, ihn und sein rotes Gesicht, die ergrauenden Haare, die auf sie fielen, wenn sie unter ihm lag und sich verzweifelt wünschte, dass er sie anfassen möge, dass er ihr Lust verschaffen würde, statt einfach nur in sie hineinzustoßen und innerlich zu jubilieren, dass er eine Neunzehnjährige vögeln durfte – und dann auch noch ausgerechnet die neunzehnjährige Chelsea Stone!
Tränen traten ihr in die Augen. Sie fühlte sich entsetzlich allein. Und dann dachte sie plötzlich aus irgendeinem Grund an ihren Dad, ihren lieben Dad, und sie fasste wieder ein wenig Mut. Sie würde zu ihm fahren. Amber und Mum waren weg, und er war bestimmt einsam. Sie konnten sich gegenseitig trösten – Chelsea hatte oft das Gefühl, dass sie nur wirklich glücklich war, wenn sie mit ihrem Vater zusammen sein konnte. Er verurteilte sie nie, lobte immer, lachte über ihre Scherze. Er war der perfekte Freund.
Sie beugte sich vor. Es ging ihr schon viel besser.
»Entschuldigung, aber ich habe meine Meinung geändert. Können Sie mich nach Weybridge fahren?«
Der Taxifahrer seufzte. »Hör zu, Schätzchen …«
Chelsea unterbrach ihn. »Wenn Sie nicht wollen, steige ich aus und suche mir ein anderes Taxi.«
Der Mann blickte in den Rückspiegel und sah sie aufrecht dasitzen. Die Augen schienen zu glühen, das Haar fiel ihr über den Rücken, und einen Moment lang glaubte er, sie zu kennen. Vielleicht war sie berühmt, dachte er, aber vor allem war sie beängstigend.
»Also gut«, sagte er. »Wohin soll’s gehen?«
»Princess Drive. Weybridge.«
Chelsea lehnte sich zurück. Zum ersten Mal seit Tagen war sie wieder froh. Das Taxi wendete und ließ den Stadtkern hinter sich.
19
U nd als er erfuhr, dass ich schwul war, hat er mich verprügelt. Und mich rausgeworfen.« Die dünnen Finger des Jungen umfassten die Teetasse. George nickte mitfühlend.
»Und dann hast du Glasgow verlassen? Um deinem Stiefvater zu entkommen?«
»Ja«, sagte der Junge. »Und mir ist auch egal, was jetzt passiert. Hauptsache, ich bin ihn los. Dieser Mistkerl.«
»Und deine Mutter?« George hatte die Arme um sich geschlungen und beobachtete den Jungen, der langsam ein wenig Zutrauen fasste. Sie waren im Bay Tree House, unten in Georges Arbeitszimmer im Keller, in dem er manchmal schlief und manchmal Klienten empfing. Es war ein gemütlicher Raum mit einer kleinen Küchenzeile, einem breiten, alten Ledersofa, einem antiken Schreibtisch mit einem Computer, Regalen voller Bücher und CDs und gerahmten Postern seiner Klienten. Nirgendwo in dem großen Haus fühlte er sich so wohl wie hier. Das hier war sein Reich, auch Margaret rührte hier nichts an. Er putzte sogar selbst.
»Meine Mum? Die interessiert sich doch für nichts mehr, seit sie den neuen Kerl hat«, antwortete der Junge.
»Furchtbar.« George hätte den jungen Burschen gerne in den Arm genommen, wollte ihm aber nicht die falsche Botschaft übermitteln. Der Junge sah ihn mit einem Blick an, der ihm nicht gefiel. Ahnte er Georges Geheimnis? Natürlich war es fast albern, sich davor zu fürchten, da George die Haltebucht normalerweise dazu benutzte, um sich zu holen, was er brauchte.
Aber er hatte Gavin mit nach Hause genommen und damit eine
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