Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt (German Edition)
war dem Taxifahrer schon genug auf die Nerven gegangen, und wenn sie ihn jetzt anwies, erneut kehrtzumachen, würde er wahrscheinlich einen Tobsuchtsanfall bekommen oder sie mitten im Nirgendwo aus dem Wagen werfen. Also starrte sie aus dem Fenster und hoffte, dass sie bald da sein würde; es war ein ziemliches Stück bis Weybrigde – geografisch wie auch mental.
Als sie im Princess Drive angekommen war, nahm sich Chelsea einen Moment Zeit, sich zu sammeln, um nicht so elend auszusehen, wie sie sich fühlte. Die kalte Nachluft traf sie wie ein Hammerschlag; sie war noch betrunkener, als ihr klar gewesen war.
Der Wagen ihres Vaters, der noble Mercedes, stand in der Auffahrt. Ihre Absätze knirschten auf dem Kies, als sie versuchte, möglichst in einer geraden Linie zur Eingangstür zu gelangen, während sie das Haus nach einem Lebenszeichen absuchte. Aber da war nichts. Ein Licht brannte im Flur, doch sonst war es still. Sie schloss die Tür auf und stolperte fast über die Treppe.
»Dad?«, rief sie. Ihre Stimme klang scheußlich laut und zu hart und hallte in dem Haus ihrer Kindheit wider. »Dad, bist du da?«
Sie lauschte, aber es kam keine Antwort. Dann hörte sie etwas – Musik, Musik aus dem Keller. Natürlich. Er war unten in seinem Zimmer und arbeitete an irgendetwas. Dad.
Chelsea trat an den Verschlag unter der Treppe und öffnete die Tür, und die Musik wurde lauter. Dusty Springfield. Er liebte Dusty.
Unten sah sie ein Licht leuchten, und sie betrat vorsichtig die Treppe. »Dad?«, rief sie wieder. Sie war sicher, etwas oder jemanden dort unten zu hören.
Und dann stand sie am Fuß der Treppe und verstand nichts. Die Musik dröhnte. Sie starrte dumpf auf die Kleidungsstücke, die auf dem Boden verstreut umherlagen, und auf ihren Dad … ihren Dad, der ihr den Rücken zukehrte und sich nackt über jemanden beugte – was tat er? Und was waren das für Geräusche?
Der erste Gedanke ihres alkoholvernebelten Verstands war, dass ein Einbrecher im Haus war und ihren Vater angriff.
Doch dann sah sie noch einmal hin, blinzelte, spürte, wie ihr Herz zu rasen begann. Nun erkannte sie, was hier geschah. Ihr Vater und ein anderer Mann. Sie hatten Sex.
George grunzte, der Mann unter ihm schrie, und beide bewegten sich im gleichen Rhythmus.
Dann sah George auf.
Sein Gesicht war schweißüberströmt. Mit ausdruckslosen, fast schwarzen Augen sah er seine Tochter an. Und sie sah ihn an. Sie schrie, aber kein Ton war zu hören.
Chelsea schrie, als sie die Treppe hinaufstürmte. Wie durch dicke Watte hörte sie ihren Vater hinter ihr rufen. »Chelsea! Komm zurück! Chelsea!« Er rannte ihr nach, sie konnte seine Schritte auf der Kellertreppe hören.
Sie würde sich jetzt nicht übergeben. Sie musste sofort hier raus. Sofort. Sie rannte in die Eingangshalle, aber er war ihr immer noch auf den Fersen, und sie wollte ihn nicht sehen. Was sollte sie tun? Die Schlüssel für den Mercedes lagen auf dem polierten Mahagonitischchen. Sie schnappte sie und rannte hinaus auf die Auffahrt. Wieder die Nachtluft … Sie fummelte an der Autotür, schaffte es endlich, den Wagen aufzuschließen, und sprang hinein. Im Seitenspiegel sah sie die Umrisse einer Gestalt, die vom Licht der Veranda beleuchtet wurde. Chelsea ließ den Motor aufheulen, trat aufs Gaspedal und fuhr schleudernd die Auffahrt hinab.
Es war erst drei Minuten her, dass sie das Haus betreten hatte.
Tränen strömten ihr über das Gesicht, und sie versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Sie war zu betrunken, um Auto fahren zu dürfen, sie wusste es, und sie wusste auch, dass sie zu schnell fuhr. Aber sie musste weg, musste so schnell wie möglich fort von diesem Haus, von dem Anblick ihres nackten Vaters, der irgendeinen fremden Burschen fickte. Der Ausdruck in seinen Augen, als er sie gesehen hatte …
Nichts würde mehr sein wie vorher. Chelsea sah auf den Tacho. Nur vierzig Meilen pro Stunde? Sie musste schneller fahren, musste zurück in die Stadt, weg von Weybridge, von diesem Anblick.
Das Letzte, was sie wahrnahm, war, dass der Wagen ausbrach und außer Kontrolle geriet. Sie wusste, dass sie gleich gegen etwas krachen würde. Sie wusste es, aber sie konnte nichts dagegen tun.
20
J emand hatte schreckliche Schmerzen. Er musste direkt in ihrer Nähe sein, und das Stöhnen und Weinen war so schlimm, dass Chelsea sich wünschte, man würde sie allein lassen. Mit Mühe schluckte sie und verzog das Gesicht. Ihre Kehle fühlte sich an, als sei sie mit
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