Rache
ich dir etwa Ärger?«
»Bis jetzt nicht. Aber da ist noch was. Du weißt jetzt, was ich mit Leuten mache, die mir in die Quere kommen. Wenn du nicht willst, dass noch jemand draufgeht, tust du besser alles, was ich sage.«
»Alles«, sagte sie. »Versprochen.«
Sie erreichten den nächsten Block, in dem sich auf halber Höhe Sherrys Wohnanlage befand. Sherry fuhr langsamer und bog in die breite Einfahrt ein.
»Was machst du da?«
»Ich fahre den Wagen auf meinen Abstellplatz.«
»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.«
»Das ist Duanes Lieferwagen«, erinnerte sie ihn, während sie auf dem überdachten Stellplatz anhielt. »Die Nachbarn haben ihn hier schon hundertmal gesehen. Abgesehen davon ist jetzt um diese Zeit sowieso niemand mehr wach.«
Toby brummte etwas und nickte.
Sherry schaltete Licht und Zündung aus und zog den Zündschlüssel ab.
»Leg ihn auf den Boden«, sagte Toby. »Sonst verlieren wir den am Ende auch noch.«
Sherry öffnete ihren Sicherheitsgurt, beugte sich nach unten und legte den Schlüssel auf die Bodenmatte.
»Bleib, wie du bist«, sagte Toby. »Ich steige aus und komme zu deiner Tür.« Er öffnete die Beifahrertür, schloss sie leise und ging nach hinten.
Soll das eine Prüfung sein?, fragte sich Sherry.
Sie behielt den Kopf unten und wartete auf ihn. Als sie hörte, wie Toby mit der Messerspitze an die Fensterscheibe klopfte, richtete sie sich auf und öffnete die Fahrertür.
»Du gehst als Erste«, sagte Toby.
Während sie zwischen Duanes Lieferwagen und dem Mazda, der direkt daneben stand, auf die Wohnanlage zuging, zog Sherry ihre Bluse zu und steckte die Zipfel in den Rockbund. Da wo eigentlich ihr Höschen hätte sein sollen, war nur noch nackte Haut.
»Zum vorderen Tor?«, fragte sie, während sie hinaus auf die erleuchtete, windgepeitschte Fläche hinter den Abstellplätzen trat.
»Ja.«
Auf dem Weg zum Haupteingang der Wohnanlage blies ihr der Wind ins Gesicht, zerrte an Bluse und Rock und wehte ihr trockenes Laub gegen die Beine. Während sie mit einer Hand die Bluse zuhielt, drückte sie mit der anderen den Rock an ihre Oberschenkel.
Auch Toby, der weit nach vorn gebeugt neben ihr ging, hielt sich mit der linken Hand den Bademantel zu, unter dem er die rechte mit dem Messer versteckt hielt.
Auf der Straße konnte Sherry kein Auto entdecken. Niemand ging spazieren oder führte seinen Hund Gassi. Nirgends lungerten Besoffene herum, nirgends schob ein Penner seinen Einkaufswagen.
Mir soll’s recht sein, sagte sich Sherry. So komme ich wenigstens nicht in Versuchung, nach Hilfe zu rufen.
Aber es wäre schon schön, dachte sie, wenn jetzt zufällig ein Streifenwagen vorbeifahren würde.
In diesem Fall gehe ich das Risiko ein.
Sie betrat die Durchfahrt, in der sich das Eingangstor der Wohnanlage befand. Vor dem Wind geschützt, lehnte sie sich mit dem Rücken an die rau verputzte Wand.
Toby ging an ihr vorbei zum Tor und drückte die Klinke herunter.
»Das wird automatisch abgesperrt«, sagte Sherry.
»Ich weiß. Aber Probieren schadet nichts.«
Er stellte sich direkt vor Sherry und zog den Bademantel aus. »Da, halt den mal für mich«, sagte er. Das Messer behielt er.
»Was tust du jetzt?«, fragte sie.
»Ich klettere oben über das Tor.«
Sherry verzog das Gesicht und betrachtete skeptisch das hohe Gittertor. Über den Eisenstangen der beiden Flügel und der Decke des Durchgangs war nicht viel Platz. »Da kommst du doch niemals durch«, sagte sie.
»Wollen wir wetten?«
»Hast du dich so bei uns eingeschlichen?«
»Manchmal, wenn niemand da war. Aber ich habe noch andere Methoden.«
Der Spalt schien wirklich sehr schmal für jemanden mit Tobys Körperbau. Falls er es überhaupt schaffte, sich mit viel Baucheinziehen hindurchzuquetschen, würde das bestimmt eine ganze Weile dauern.
Wenn Sherry den richtigen Augenblick abwartete, blieb ihr vielleicht genügend Zeit zur Flucht.
Ich könnte wie eine Verrückte zurück zum Lieferwagen rennen. Ich weiß ja, wo der Zündschlüssel ist.
»Dann zeig mal, was du kannst«, sagte sie.
Toby lächelte sie seltsam an. »Auf eines möchte ich wetten«, sagte er. »Sobald ich mich da droben durch den Spalt drücke, rennst du weg.«
»Nein, das mache ich nicht«, beteuerte Sherry. »Versprochen.«
»Soll ich dir mal was sagen?«
»Was?«
»Clifton Nummer Zwei-acht-drei-zwo.«
Abermals fühlte Sherry eine Welt zusammenbrechen.
»Weißt du, wer dort wohnt?«
Sie nickte.
»Ich auch.«
»Großer
Weitere Kostenlose Bücher