Rache
ersetzte er durch »sie« und »seine« durch »ihre«.
Sein Satz las sich jetzt so: »Lachend liebkoste sie ihre Brüste.«
Nicht schlecht, dachte er.
Aber wenn jemand das liest?
Pete überlegte, ob er nicht den ganzen Satz ausstreichen sollte, ließ ihn dann aber doch stehen.
Es hat sowieso niemand das Recht, meine Sachen zu lesen.
Er schlug das Heft zu und legte es wieder in die Schreibtischsschublade, bevor er sich aus der Kommode eine Badehose holte. In der untersten Schublade hatte er über zehn Badehosen, aber er entschied sich für ein alte, blaue, die schon ziemlich verblasst war und ihm labbrig um die Hüften hing. Als er sie angezogen hatte, schob er die Schublade mit dem Fuß zu und verließ das Zimmer.
Die roten Terracottafliesen im Gang fühlten sich unter seinen nackten Sohlen kühl an. In der Küche befüllte Pete die Kaffeemaschine mit Wasser und Kaffeepulver und schaltete sie ein.
Während der Kaffee durchlief, ging Pete auf die Toilette und wusch sich im Badezimmer das Gesicht, putzte sich die Zähne und sprühte sich Deo unter die Achseln. Dann ging er zur Haustür holte sich die L. A. Times die auf der Türschwelle lag.
Auf dem Weg zur Küche riss Pete die vom Rasensprenger nasse Plastikhülle auf und warf sie in den Abfalleimer, bevor er die Zeitung auf dem Tisch ausbreitete.
Er las die Schlagzeile: KILLERWIND VERURSACHT MILLIO-NENSCHÄDEN.
Ein Killer -wind? War das eine Übertreibung, oder war irgendwo jemand von einem umgestürzten Baum erschlagen worden? Egal, es interessierte ihn sowieso nicht.
Rasch überflog er die anderen Überschriften.
Schulverwaltung … Rassenquote.
Amoklauf in Wohnanlage.
Clinton … Neue Sexvorwürfe.
»Immer das Gleiche«, murmelte er.
Er ließ die Zeitung aufgeschlagen auf dem Tisch liegen, goss sich eine Tasse Kaffee ein und ging ins Wohnzimmer, wo er gestern Abend Paris - ein Fest fürs Leben auf dem Beistelltisch liegen gelassen hatte. Er klemmte das Buch unter den rechten Arm und steckte sich den roten Kugelschreiber, der neben dem Roman gelegen hatte, seitlich in den Mund.
Dann ging er zur Terrassentür, schob sie mit der linken Hand auf und trat hinaus in den Innenhof.
Ein warmer Wind schlug ihm entgegen, und der von der Sonne beschienene Beton unter seinen Füßen fühlte sich schon ziemlich heiß an.
Die Wasseroberfläche des Pools glitzerte so grell, dass er die Augen zusammenkneifen musste.
Ich habe meine Sonnenbrille vergessen.
Ohne auf den Pool zu schauen, ging Pete zu einem Glastisch im Schatten, wo er keine Sonnenbrille brauchen würde.
Nachdem er seine Sachen auf dem Tisch abgelegt hatte, rückte er sich einen Stuhl so zurecht, dass er dem Pool den Rücken zukehrte und setzte sich. Dann hob er seine Kaffeetasse an den Mund, aber anstatt zu trinken, betrachtete er den Dampf, der von dem heißen, schwarzen Gebräu aufstieg.
Wie kann man so etwas beschreiben?, fragte er sich. Wie macht man das so, dass jeder Leser den Dampf sehen kann, wie er zart über dem glänzenden, leicht vibrierenden und den Himmel widerspiegelnden Kaffee schwebt? Wie beschreibt man das Gefühl, wenn man die Tasse an die Lippen bringt und es einem an der Oberlippe und der Unterseite der Nase ganz warm wird?
Pete nahm einen Schluck und bemerkte, dass er den heißen Dampf sogar in seinen Nasenlöchern spürte.
Der Kaffee schmeckte ausgezeichnet.
Vielleicht kann man so etwas gar nicht realistisch beschreiben.
Hemingway konnte es.
Mein Gott, Hemingway.
Seufzend stellte Pete die Tasse ab und griff nach Paris - ein Fest fürs Leben. Er schlug es an der markierten Stelle auf und begann zu lesen. Bald konnte er den Regen riechen, den der Wind an einem grauen Pariser Morgen durch die Straßen peitschte, spürte die kalten Tropfen auf dem Gesicht und sah, wie sie in die Pfützen trommelten und vom Trottoir spritzten.
Meine Güte, der Kerl kann vielleicht schreiben!
Niemand außer Hemingway bringt das so realistisch rüber.
Pete wünschte, er wäre an einem solchen Regentag in Paris und würde durch die nassen Straßen zu einem Café gehen, um dort zu schreiben.
Obwohl es hier auch nicht schlecht ist, dachte er, während er von seinem Buch aufblickte und über die Schulter auf den Swimmingpool und den steilen Abhang schaute, der direkt hinter der Begrenzungsmauer des Grundstücks aufragte.
Ich sollte schreiben, nicht lesen.
Aber wer schreiben will, muss viel lesen, sagte er sich. Besonders tolle Bücher wie dieses hier. Da kann man lernen, wie man es
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