Rache
dass seine rosa Farbe fast herausgewaschen und das kleine Schweinchen auf der Vorderseite zu einem kaum mehr erkennbaren Gespenst verblasst war.
Irgendwann einmal würde es wohl ganz verschwunden sein.
Aber das ist okay, dachte Brenda. Wir wissen ja, dass es da war.
Sie zog das T-Shirt an. Eigentlich war es ihr schon viel zu klein, und der ausgeleierte Stoff war so dünn geworden, dass man fast hindurchschauen konnte. Unterhalb der rechten Schulter hatte es ein Loch, das immer größer wurde.
Brenda sah in den Spiegel und lächelte dem Gespenst des Schweinchens zu.
Dann machte sie sich auf die Suche nach ihrer abgeschnittenen Jeans und fand sie schließlich unter einem Haufen Kleider auf dem Schreibtischstuhl. Sie war weit und ausgeblichen, aber so gut wie überhaupt nicht durchlöchert oder ausgefranst, was Brenda nicht sonderlich gefiel. Aber was sollte sie machen? Aus ihrer wirklich guten , halb zerfetzten und hundertmal geflickten Jeans war sie nun endgültig herausgewachsen.
Nachdem sie ihre alten, weißen Turnschuhe ohne Socken angezogen hatte, bürstete sie sich das Haar, obwohl daran eigentlich nicht mehr viel zu bürsten war. Bisher hatte Brenda ihr Haar immer lang getragen, aber weil ihr Sherrys jungenhafter, kurzer Schnitt so gut gefiel, hatte sie es vor einem Monat radikal abschneiden lassen.
So machte die Frisur auf jeden Fall viel weniger Arbeit.
Außerdem gefiel es Brenda, dass sie jetzt fast wie ein Junge aussah.
Das einzige Problem war, dass die kurzen Haare sie noch jünger erscheinen ließen, als sie war.
Erst sechzehn zu sein war schon schlimm genug, da musste man nicht unbedingt auch noch für dreizehn gehalten werden.
Aber das ist nicht mein Problem, dachte Brenda.
Sie legte die Bürste weg und schaute auf die Uhr neben dem Bett.
8:40.
Sie rief Sherry nur ungern vor neun Uhr an, aber heute ging es nicht anders.
Also wählte sie die Nummer ihrer Schwester und hörte nach dreimaligem Klingeln ein paar elektronische Umschaltgeräusche, bevor sich Sherrys Anrufbeantworter meldete. »Hallo. Ich kann gerade nicht ans Telefon. Wenn Sie wollen, dass ich zurückrufe, hinterlassen Sie bitte nach dem Piepton Ihren Namen und Ihre Telefonnummer.«
Einen Augenblick später kam der Ton.
»Hey, Sher, hier spricht Brenda. Bist du da? Bist du schon wach? Guten Moooorgen! Zeit zum Aufstehn!« Sie wartete einen Augenblick darauf, dass Sherry den Hörer abnahm, dann sagte sie: »Okay. Schlaf ruhig weiter. Ich wollte dir nur sagen, dass wir heute an unserer Schule eine Auto-Waschaktion veranstalten - und zwar nur heute! Wir wollen mit dem Geld einen neuen Computer für die Schülerzeitung kaufen. Es ist also für einen guten Zweck, das kannst du mir ausnahmsweise mal glauben. Wie auch immer, wir sind von neun bis fünf auf dem Parkplatz, und ich hoffe, du schaust mal vorbei, wenn du deinen Rausch von gestern Nacht ausgeschlafen hast. Bis dann also.« Sie legte auf, nahm ihre Handtasche und ging nach unten.
Dort setzte sie die Sonnenbrille auf, hängte sich die Handtasche an ihrem langen Riemen über die Schulter und wartete an die Haustür gelehnt auf ihre Eltern.
Bald kam Dad die Treppe herunter. »Rufst du Sherry an?«, fragte er.
»Hab ich schon. Ich habe ihr aufs Band gesprochen.«
Dad runzelte leicht die Stirn. »Sie ist nicht rangegangen?«
»Hätte ich ihr sonst aufs Band gesprochen?«
Er sah sie an. »Stimmt.«
Brenda zuckte mit den Schultern.
»Seltsam, dass sie nicht rangegangen ist.«
»Vielleicht war sie auf dem Klo.«
»Was ist denn los?«, fragte Mom von oben.
»Sherry ist nicht ans Telefon gegangen«, erklärte Dad.
»Hmm«, sagte Mom. »Ich kann mir eigentlich kaum vorstellen, dass sie an einem Samstag schon so früh unterwegs ist.«
»Man kann nie wissen«, sagte Brenda lächelnd. »Vielleicht hat sie die Nacht ja bei einem Typen verbracht.«
»Das möchte ich bezweifeln«, sagte Mom und kam die Treppe herunter.
»Ich auch«, erwiderte Brenda. »Die heilige Sherry tut so was doch nicht.«
»Hör auf«, sagte Dad.
»Ich möchte wetten, dass sie noch Jungfrau ist.«
»Und du hoffentlich auch, junges Fräulein«, sagte Mom.
»Mit sechzehn sollte man das auch noch sein, nicht wahr, Dad?«
»Können wir nicht über was anderes reden?«, bat Dad und verzog das Gesicht.
Unten angekommen, sagte Mom: »Und wenn schon. Mit wem Sherry die Nacht verbringt, ist ihre Sache.«
»Sie ist schließlich mit diesem Kerl gegangen«, sagte Brenda.
»Mit welchem Kerl?«, fragte Dad
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