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Racheakt

Racheakt

Titel: Racheakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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unfreundlich auf. »Und ich nehme meinen Beruf sehr ernst! Außerdem ist die Situation hier bei mir nicht dazu angetan Herrn Grabert zum Flunkern zu bringen – das Therapeutische an unseren Gesprächen ist, dass er mir ehrlich von Emotionen, Träumen, Erinnerungen oder Ängsten erzählt. Da bleibt kein Platz für erfundene oder verharmlosende Stories.«
    »Sie glauben demnach nicht, dass Herr Grabert erneut gemordet hat, ein weiteres Mal nach seinem Schema ein junges Mädchen tötete?« Jetzt fragte Peter Nachtigall ohne Umschweife und Frau Dr. Jung würde auch genauso direkt antworten müssen.
    »Ich bin fest von seiner Unschuld überzeugt.«
    Albrecht Skorubski sog hörbar Luft durch seine Nase ein. Es klang fast wie das Schnauben eines Pferdes. Die Therapeutin sah ihn unverhohlen wütend an.
    Sie ist ausgesprochen attraktiv, wenn ihre Augen so Zorn geladen blitzen, fand Peter Nachtigall, während sie sich nun sekundenlang stur anschwiegen.
    Dann seufzte sie plötzlich und wechselte zu einer entspannteren Körperhaltung.
    »Wenn es Sie nicht überfordert«, sie warf einen demonstrativ langen Blick auf Skorubski, »würde ich Ihnen gerne erklären, wie das Medikament wirkt. Wenn Sie erkennen, was Günter Grabert mit seiner Entscheidung für diese Therapie auf sich genommen hat, nur um sicherzustellen, dass von ihm keine Gefahr mehr ausgeht – dann verstehen Sie vielleicht auch, warum er es gar nicht gewesen sein kann.« Sie sah die Ermittler fragend an. Die Männer nickten.
    »Gut. Androcur stoppt die Testosteronbildung. Die betroffenen Männer verlieren ihr Interesse am Sex praktisch völlig. Jede sexuelle Erregung wird im Keim erstickt. Der Patient bekommt oft auch bei der Masturbation keine Ejakulation mehr – ganz abgesehen davon, dass ihm das Onanieren selbst auch keinen Spaß mehr macht. Es erscheint ihm wie Arbeit und so lässt er es in der Regel sehr bald bleiben. Sein Körper beginnt sich zu verändern, wird fett, schwabbelig und der Patient entwickelt Brüste.«
    Fast schien es Peter Nachtigall als spiele ein zynisches Lächeln um ihre Lippen, als sie seinen gequälten Gesichtsausdruck bemerkte. Aber das war doch auch ein Schreckensbild, das sie da zeichnete!
    »Für Herrn Grabert war die Entwicklung der Brüste von besonders negativer Bedeutung. Er konnte nämlich seine sportlichen Hobbies, unter anderem Schwimmen, nicht mehr ausüben. Schließlich wollte er sich nicht zum Gespött der Leute machen. Das kann ich gut verstehen. Auch Laufen ist beschwerlich, weil die Mamillen sehr sensibel werden und beim Joggen dann schmerzhaft am Unterhemd oder Shirt reiben. Sie entzünden sich dadurch und verursachen bei jeder Bewegung des Oberkörpers Beschwerden. Doch das sind nur ein paar der physischen Veränderungen – daneben gibt es auch psychische. Der Patient wird emotionaler. Er entwickelt Schuldgefühle, manche weinen unkontrolliert. Auf jeden Fall werden sie durch all diese Veränderungen sehr einsam. Ehemalige Freunde sind oft mit der neuen Situation überfordert und auch der Patient selbst zieht sich immer mehr aus dem sozialen Leben zurück: weil ihm sein neues Aussehen peinlich ist, weil er von der Fitness her nicht mehr mithalten kann, weil er sich nicht auf seine emotionale Stabilität verlassen kann. Sie haben das Bedürfnis über ihre Tat zu sprechen – doch mit wem? Für einen brutalen Sexualmord und die Schuldgefühle des Täters hat sicher kaum jemand Verständnis. So müssen sie eben über die Gründe ihrer Depression schweigen oder sich eine andere, plausible Erklärung ausdenken. Die meisten leben äußerst zurückgezogen, deprimiert und allein, immer bemüht nicht mehr Aufmerksamkeit als unbedingt notwendig auf sich zu ziehen«
    »Sie klingen, als täte Ihnen der Mörder leid. Vergessen Sie dabei nicht vielleicht die Opfer?« Peter Nachtigall sprach leise und nachdenklich. Wer wusste denn schon genau, welche Qualen ein Mordopfer durchleiden musste; er sah die Trauer der Eltern, musste sich mit dem Schmerz der Hinterbliebenen auseinander setzen. Nein, er schüttelte langsam den Kopf, von ihm durften die Täter kein Mitgefühl erwarten.
    »Und wie sieht das bei Ihnen aus? Vergessen Sie nicht, auch Täter sind oft genug Opfer! Das sehe ich hier beinahe täglich. Sie verdächtigen Günter Grabert – aber wer sagt denn, dass es sich nicht um einen weiblichen Täter handelt?«
    »Frauen morden nach einem anderen Schema. Außerdem muss es sich um einen kräftigen Täter handeln, denn er hat

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