Racheakt
gedroht, morgen einen vernichtenden Artikel über unsere Arbeit zu bringen, wenn ich ihm nicht exklusiv Informationen zukommen lasse. Erpressung!«
Skorubski seufzte tief und sah seinen Freund an, als wolle er sagen, siehst du, auch die Journaille ist nicht mehr, was sie mal war. Als er aber Nachtigalls finsterem Blick begegnete, beschloss er, lieber auf einen Kommentar zu verzichten.
27
Dr. Pankratz untersuchte die Tote von allen Seiten. »Wie gesagt - äußere Inspektion, nennt man das. Das ist wichtig, sonst übersehen wir womöglich das große Einschussloch im Rücken und schon ist ein weiteres Mordopfer eines natürlichen Todes gestorben«, scherzte er lahm und warf dem jungen Kripobeamten einen verschmitzten Blick zu.
Tapfer lächelte Michael Wiener zurück. Bisher lief die Sache ja ganz gut, dachte er, alles im grünen Bereich.
»Sehen Sie, Herr Wiener, diese lividen Verfärbungen nennt man Leichenflecken. Sie bilden sich dort, wo sich nach dem Tod Blut angesammelt hat und helfen uns außerdem den Todeszeitpunkt annähernd zu bestimmen. Ist die Leiche frisch, kann man sie noch wegdrücken. Aber hier …«, er presste seinen Daumen auf eine der blauen Stellen. »hier bleibt alles an Ort und Stelle. Allerdings zeigen uns diese Leichenflecken, dass sie nach ihrem Tod noch bewegt worden ist. Das Blut fließt nach dem Tod eines Menschen in die tiefer gelegenen Bereiche des Körpers ab. Wir haben sie liegend gefunden, aber die meisten Verfärbungen haben wir hier und hier.«
Dabei wies er auf das Gesäß und die Rückseite der Oberschenkel.
Michael sah das Muster der Haut. Kleine Rauten, die sich wie ein Geflecht über den ganzen Körper zogen.
»Bevor der Täter sie auf das Moosbett gelegt hat, hat sie irgendwo gesessen. Auf dem Waldboden würde ich sagen – sehen Sie hier die Abdrücke?«
Michael Wiener sah noch einmal hin und nickte dann, weil er das Gefühl hatte, Dr. Pankratz erwarte eine Reaktion. Sprechen kam nicht in Betracht – dabei würde er noch viel mehr der stinkenden Luft in seinen Körper saugen – und das hätte er nicht ertragen. Michael Wiener fand es so schon schlimm genug. Langsam begann er zu befürchten, sein Minzbonbon, das sich diskret in der Backentasche auflöste, könne vor Ende der Sektion verschwunden sein.
»Spucken Sie den Bonbon lieber schnell in den Mülleimer dort hinten! Sonst werden Sie für die Zukunft immer den Geruch des Sektionssaals in der Nase haben, wenn sie einen lutschen!«
Der forensische Pathologe hatte inzwischen die Verletzung an der Schläfe inspiziert. Er sprach seine Befunde in ein Diktiergerät. Dann sah er auf und Michael Wiener erkannte, Unaufmerksamkeit würde der Mediziner nicht dulden.
»Sehen Sie, wie bei der letzten Toten wurde auch hier der Schädel mit einem harten Gegenstand zertrümmert. Allerdings ist der Schlag diesmal in einem anderen Winkel erfolgt. Vielleicht hat das Opfer gesessen. Die Wirkung war auch hier verheerend. An diesem Punkt müssen die Knochensplitter bis weit in den Temporallappen eingedrungen sein.« Der junge Ermittler beugte sich vor.
»Wir gehen davon aus, dass das Mädchen per Anhalter vom Kino aus nach Hause fahren wollte. Da muss sie wohl beim Täter eingestiegen sein. So ein Leichtsinn!«
Dr. Pankratz nickte.
»Diese Verletzung werden wir uns später noch genauer ansehen«, versprach der Rechtsmediziner, als erfülle er damit einen sehnlichen Wunsch seines Zuhörers, und deutete nun auf die tiefen Krater auf dem Oberkörper der Toten.
Michael Wiener versuchte sich mental aus dem Sektionssaal zu beamen. Er wollte das alles gar nicht sehen – und eine Erklärung brauchte er auch nicht. Schließlich war nicht zu übersehen, was man dem Mädchen angetan hatte.
»Der Täter hat wieder beide Brüste amputiert. Sehen Sie, die gleiche Schnittführung. Er hat das Messer von oben schräg angesetzt und die Brüste trichterförmig ausgeschnitten. Hätte er sie nur abgetrennt, würden wir hier eine glatte Schicht Muskelgewebe finden. Pectoralis – ist Ihnen doch bekannt, nicht wahr? Wie beim letzten Opfer fanden wir die beiden in einem BH im Geäst. Das spricht alles schon dafür, dass es sich um denselben Täter handelt – aber es ist kein Beweis.«
Dr. Pankratz schien die Anwesenheit des jungen Kriminalisten beinahe vergessen zu haben. Er murmelte in sein Diktiergerät, griff nach einem Vergrößerungsglas und meinte: »Bei oberflächlicher Betrachtung sieht es auch so aus, als hätte der Täter ein
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