Racheakt
Spaziergänger hat die Haare und die Kleidung des zweiten Opfers gefunden. Die Haare hingen wie Lametta im Geäst eines Busches am Spreewehr bei Kiekebusch, die Kleidung lag ordentlich zusammengefaltet darunter. Das Team ist noch vor Ort und untersucht das Gebiet weiträumig. Die Kleidung des ersten Opfers wird noch gesucht«, informierte Wiener Peter Nachtigall.
»Der Busch stand direkt am Wasser. Vielleicht ist unser Mörder romantisch veranlagt. Der Platz ist jedenfalls sehr malerisch, meinen die Kollegen.«
»Und was ist mit der Identität des zweiten Opfers?«
»Nix, bisher«, Wiener fuhr sich durch die dichten dunklen Haare und schob seine Brille mit den rechteckigen, randlosen Gläsern wieder zurecht, die ihm das Aussehen eines Strebers gab.
»Vielleicht findet ja die Spurensicherung noch einen Hinweis. Oder es kommt doch noch eine Suchmeldung rein. Irgendjemand wird doch wohl ein so junges Mädchen vermissen«, meinte Skorubski.
»Michael, noch neue Erkenntnisse von der Obduktion?«
»Ja. Dr. Pankratz meint, es war mit hoher Wahrscheinlichkeit derselbe Täter. Es bestünde zwar immer noch die theoretische Möglichkeit einer zufälligen Ähnlichkeit, aber er glaubt nicht daran. Wenn er die Messerspuren verglichen hat und es sich um die gleiche Tatwaffe handelt, dann wäre eigentlich alles klar. Er meint auch, der Tathergang sei ähnlich gewesen. Schlag auf die Schläfe. Tod des Opfers. Verstümmelung der Leiche. Er hat ein Messer mit kurzer, doppelt gezahnter Klinge benutzt, bei beiden Morden. Der Vergleich läuft noch. Es ist also noch nicht sicher, ob es dieselbe Waffe war oder nur eine ähnliche Klinge. Vielleicht war es ein Taschenmesser. Aber der Apfel, den er ihr in die Vagina geschoben hat, war von der gleichen Sorte.«
»Cox Orange. Hm – ist die eigentlich selten? Kann man die überall kaufen oder gibt es die nur direkt beim Bauern?«
»Die sind nicht so selten. Und jetzt kriegst du die eigentlich in fast jedem Supermarkt. Die Leute essen die ganz gerne, weil sie aromatisch sind. Und zu Nikolaus sind sie immer begehrt, weil man sie so schon in Strümpfe stecken kann.«, erklärte Albrecht Skorubski.
»Aha. Dann kommen wir über den Apfel auch nicht weiter. Spermaspuren an der Leiche?«
»Weder an der Leiche noch am Tatort konnte die Spurensicherung etwas finden. Aber Dr. Pankratz hat ein Haar gefunden, das eindeutig nicht zum Opfer gehört. Analyse läuft. Wir sollen uns aber nicht zu viele Hoffnungen machen, er glaubt nicht, dass es für einen Fingerprint reichen wird. Ach, und das Opfer war schon seit ungefähr 26 – 28 Stunden tot.«
»Herr Nachtigall – ihre Tochter ist am Telefon.« Ein Kollege streckte seinen Kopf durch die Tür.
Nachtigall zog sein Handy aus der Jacke. Warum hatte sie ihn nicht direkt angerufen?
»Abgeschaltet. Das war nach dem Anruf von diesem miesen Reporter. Bin gleich wieder da.« Entschuldigte er sich und eilte an den Apparat in seinem Büro.
»Und was war jetzt mit dem Hansi?« Michael Wiener ordnete raschelnd seine Notizen und legte ein neues Blatt obenauf.
»Nach ziemlichem Hin und Her durften wir mit dem Jungen sprechen. Aber er versteht nur wenig und kann nur in ganz einfachen Sätzen antworten. Er hat so was gesagt wie: Hansi liebt Anna und Anna schläft im Wald. Aber ob uns das wirklich weiterbringt?«
»Aber er isch schon verdächtig, oder?« Wiener zog einen Stapel Fotos von der Beerdigung des ersten Opfers aus einem Ordner und reichte ihn an Skorubski weiter.
»Ja, ich meine schon. Er ist ein Koloss und durchtrainiert wie ein Türsteher vor der Disco. Die Kraft hätte er also allemal und die Anna hätte ihn sicher auch nah rangelassen, schließlich kannte sie ihn ja gut. Auch wenn ihre Freundin meint, sie habe in der letzten Zeit zunehmend Angst vor ihm gehabt. – Aber Peter meint, es sei unwahrscheinlich. Mal sehen, was wir noch so über ihn rausfinden können.«
»Und mir waret au bei dem Hausarzt von Günter Grabert. Der Mann kriegt das Triebdämpfungsmittel gar nicht mehr als Spritze. Der Hausarzt verschreibt ihm Tabletten, weil dann zum Beispiel im Urlaub die Einnahme einfacher wird, als wenn er es sich spritzen lassen muss. Es gibt also keine Kontrolle über die regelmäßige Einnahme.«
»Auf den Bildern hier, die die Kollegen gemacht haben, ist niemand zu sehen, den wir nicht bei der Beisetzung erwartet hätten«, Skorubski legte den Stapel für Peter Nachtigall zurecht. »Das heißt, keiner weiß, ob er das Zeug auch wirklich
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