Racheakt
sondern gleich in den aktuellen Fall einsteigen.« Er pinnte ein Pappschild mit seinem Namen an die Stellwand: Dr. Emile Couvier. »Die Tatorte habe ich schon eingehend untersucht und mich mit den Bedingungen dort vertraut gemacht. Auch mit Ihrem Gerichtsmediziner habe ich schon gesprochen«, er nickte Dr. Pankratz zu.
»Die Frage, ob die Mädchen versucht hatten dem Täter zu entkommen, wurde von den Mitarbeitern der Spurensicherung verneint. Sie haben also beide nichts von der drohenden Gefahr geahnt.«
»Ja. Es gab auch bei der Obduktion der Opfer keinen Hinweis darauf, dass sie sich etwa gewehrt hätten.«
»Das erste Opfer fuhr regelmäßig mit der Straßenbahn. Möglicherweise hat der Täter sie schon einige Zeit lang beobachtet. Gibt es Hinweise am Tatort, die uns vermuten lassen könnten, er habe sie gekannt?« fragte der junge Mann in die Runde.
»Er hat sie doch immerhin recht liebevoll auf dieses Reisigbett gelegt und sogar mit Moos zugedeckt. Vielleicht tat es ihm ja sogar leid, was er getan hatte.« Michael Wiener hatte sich offensichtlich durch einschlägige Literatur kundig gemacht, registrierte Nachtigall erfreut.
»Mörder decken eine Leiche aus den unterschiedlichsten Gründen zu. Es muss nicht unbedingt etwas mit Sympathie zu tun haben – aber denkbar ist es natürlich.«
»Er hat seine Opfer grausig verstümmelt – das ist doch wohl nicht gerade ein Zeichen von Sympathie!«, fuhr Albrecht Skorubski dazwischen.
»Lassen Sie uns erst einmal trennen, welches Verhalten für die Tat notwendig war und was der Mörder darüber hinaus unternommen hat, um den Ort zu verändern«, forderte der Psychologe und stellte sich an den Flipchart.
»Das haben wir schon getan«, Nachtigall wollte keine Zeit verlieren. Er gab Michael Wiener ein Zeichen ihre Aufstellung aus dem Büro zu holen.
»Wir wissen auch schon, dass er den Tatort nach dem Opfer wählt. Demnach muss sein zweites Opfer irgendetwas mit dem Park oder mit Branitz zu tun haben«, erklärte er weiter. »Ich habe eine Streife losgeschickt, die bei allen Familien nachfragt, die eine Tochter im entsprechenden Alter haben. Das sind nur vier. Vielleicht haben die nur noch nichts gemerkt. Meine Tochter übernachtet doch auch manchmal bei einer Freundin.«
»Wie sind Sie darauf gekommen, dass das Opfer den Tatort bedingt?«
»Der erste Tatort war nicht unter Aspekten der Sicherheit des Täters ausgewählt worden. Er ging ein hohes Risiko ein, entdeckt zu werden. Aber vielleicht war es die einzige Stelle, an der er sie überhaupt überwältigen konnte. Wir gehen davon aus, dass er sein Opfer schon ausgewählt hatte, sie vielleicht schon ein paar Tage beschattete, um sie dann dort zu töten.«
»Der Täter könnte auf sie gewartet haben. Er hatte sie ausspioniert und lauerte direkt auf ihrem Heimweg. Als sie vorbeikam, sprang er hinter ihr auf den Weg und erschlug sie mit dem Stein, bevor sie überhaupt bemerkte, was passierte«, gab Emile Couvier zu bedenken.
»Nein«, Dr. Pankratz legte seinen Stift beiseite. »Erstens liegen die Häuser zu nah. Er wäre von einem Spaziergänger aufgestöbert worden, wenn er dort lange gelauert hätte. Und zweitens traf der Schlag beide Opfer mit großer Wucht an der linken Schläfe. Hinter ihr kann er nur gestanden haben, wenn er Linkshänder ist, ansonsten muss sie sich auf jeden Fall zu ihm umgedreht haben. Auch die Schnittführung bei den Amputationen deutet auf einen Rechtshänder. Möglicherweise hat er sein Opfer angesprochen – nach dem Weg gefragt oder der Uhrzeit.«
»Manche Linkshänder wurden früher umtrainiert. Man hielt es für ein Fehlverhalten«, warf Dr. März ein.
»Das würde aber bedeuten, dass unser Täter bereits um die fünfzig ist. Denn neuere Erkenntnisse sprachen dagegen, die Kinder auf rechts umzutrainieren.«
»Damit scheiden dann praktisch alle Verdächtigen aus. Wir gehen also von einem Rechtshänder aus.« stellte Albrecht Skorubski trocken fest.
Dr. Emile Couvier nickte zögernd.
»Es war für den Täter offensichtlich von großer Bedeutung seine Opfer gleich mit dem ersten Schlag zu töten. Nun, vielleicht weil sie den Täter kannten. Das würde bedeuten, wir suchen nach einer Person, die mit beiden Frauen in Verbindung stand.«
»Wenn er von Anfang an geplant hatte sie umzubringen, konnte es ihm doch gleichgültig sein, ob sie ihn erkannte oder nicht«, murrte Albrecht Skorubski.
»Oder er wollte nur sicher gehen, dass ihr Schreien niemanden alarmiert.« Dr. März
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