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Racheakt

Racheakt

Titel: Racheakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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November
     
    Beim Frühstück traf Peter Nachtigall unerwartet erneut auf den Freund seiner Tochter. Frisch geduscht, rasiert, mit sauberem Hemd und neuer Jeans, fühlte er sich nicht mehr ganz so unterlegen wie letzte Nacht – dennoch musste er zugeben, dass der andere gar nicht schlecht aussah, vorausgesetzt man stand auf lackierte Typen mit sorgfältig manikürten Händen. Sein Urteil jedenfalls stand fest: Unerträglich arrogant und affektiert! Hoffentlich würde das jetzt nicht zur Regel – er hatte kein Bedürfnis danach nun jeden Morgen in dieser Gesellschaft in den Tag starten zu müssen.
    Jule hatte Kaffee gemacht und erklärte fröhlich, sie hätten der Einfachheit halber beschlossen gleich hier zu übernachten, und nicht erst noch ins Hotel zu fahren. Das verstehe er doch sicher, meinte sie und drückte ihm – völlig untypisch – einen Gutenmorgenkuss auf die Wange.
    Etwas versöhnt beschloss Peter Nachtigall gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Jule sollte keinen Grund haben ihn später als grenzenlos spießig bezeichnen zu können. Er gab sich betont liberal und aufgeschlossen – gut, räumte er später sich selbst gegenüber ein – vielleicht ein wenig verkrampft, aber das war ja wohl in Anbetracht der Situation erlaubt.
    Sie unterhielten sich gebildet und informiert über Politik im Allgemeinen und im Besonderen, den allgegenwärtigen Tod im Irak und den Geisteszustand des amerikanischen Präsidenten – alles in allem ein gelungenes Frühstück.
    Dann überließ er die beiden sich selbst, nahm im Rausgehen die Zeitung aus dem Briefkasten und machte sich im nassen Grau auf den Weg zu seinem Auto.
    Schwungvoll schleuderte er die Zeitung auf den Beifahrersitz, wo sie sich Stück für Stück entfaltete und schließlich den roten Aufmacher des Tages freigab.
    Ächzend ließ Peter Nachtigall sich in sein Auto fallen und griff wie betäubt nach der Schlagzeile.
    »Panik in Cottbus! Serientäter verbreitet Angst und Schrecken!«, stand da und etwas kleiner darunter: fragwürdige Polizeiermittlungen. Kurz vor dem zweiten bestialischen Mord innerhalb von nur wenigen Tagen, wurde der Sexualstraftäter Günter B. von der Polizei wieder auf freien Fuß gesetzt. Hat er danach die Tat begangen?
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße!« Peter Nachtigall schlug wütend mit der flachen Hand auf das Lenkrad ein, bis es schmerzte.
    »Das gibt’s doch gar nicht!«
    Er überflog den Artikel. Sogar der Name Günter G. war wieder aufgetaucht. Wusste jemand außerhalb der Polizei von den Verdachtsmomenten, die auf einen Serientäter schließen ließen, oder hatte sich der Journalist das zusammengereimt?
     
    Die ganze Fahrt über schimpfte er laut vor sich hin, was andere Autofahrer zu besorgten Blicken in seine Richtung veranlasste – doch davon bemerkte er nichts.
    Albrecht Skorubski und Michael Wiener warteten schon im Büro, verärgert über den Artikel, der nur wenig Informationen aber jede Menge Stimmungsmache enthielt. Ratlosigkeit auf allen Gesichtern – wie sollten sie nun vorgehen? Dementieren konnten sie schließlich auch nicht. Am Telefon auf Nachtigall Schreibtisch klebte ein leuchtend roter Merkzettel, der ihn darüber informierte, Herr Dr. März wünsche seinen sofortigen Rückruf.
    Na, der Tag fängt ja mal wirklich rundum gut an, dachte Nachtigall zynisch. Aber, so tröstete er sich, viel mehr konnte dann ja auch nicht mehr nachkommen.
    Aber in der Beziehung täuschte sich der Hauptkommissar gründlich.

31
    Im Besprechungsraum hatte Michael Wiener Tatortfotos an der großen Pinnwand befestigt. Ein Flipchart stand bereit und Kaffeeduft zog vom Nebenzimmer herein.
    Dr. Pankratz wartete bereits, blätterte in einer mitgebrachten Akte und machte sich mit einem grünen Stift Notizen.
    Peter Nachtigall und sein Team setzten sich ebenfalls um den großen Tisch.
    »Mann, warum ist das nur immer so kalt hier?« Michael Wiener rieb sich die Oberarme und verzog das Gesicht.
    »Hier wird nur bei Bedarf geheizt.«
    Die scharfe Erwiderung kam von Dr. März, der mit dem Mitarbeiter des LKA zu ihnen stieß.
     
    Mit einem Geräusch, das an das Entweichen von Luft aus einem Fahrradreifen erinnerte, lehnte sich Peter Nachtigall zurück und verschränkte die Arme vor seiner Brust.
    Der Fachmann aus Berlin war der arrogante Schnösel an der Seite seiner Tochter! Das konnte doch nicht wahr sein!
     
    »Ich möchte hier niemanden damit langweilen, dass ich nun einen Vortrag über die Methoden meines Fachgebiets halte,

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