Rachedurst
mich voll auf den Artikel über Dr. Alan Cole und seine Arbeit in Darfur beim Humanitären Hilfswerk konzentrieren. Zunächst musste ich mir die stundenlangen Aufnahmen unserer Gespräche anhören und sorgfältig Notizen für einen ersten Entwurf machen. Hinweis für alle Kinder, die dies hier lesen: Erst einen Entwurf machen. Immer!
Tatsache ist, je länger ich als Journalist arbeite, desto mehr verstehe ich, dass es keinen Weg daran vorbei gibt. Zumindest keinen, der es wert wäre, gegangen zu werden.
Also klappte ich meinen Rechner auf und griff zu meinem
Rekorder. Ich wollte gerade die Rücklauftaste drücken, als plötzlich meine Hand erstarrte. Mir war etwas klar geworden.
Nach den schrecklichen Momenten im Lombardo’s sowie im Aufruhr nach den Morden hatte ich vergessen, dass ich meinen Rekorder eingeschaltet hatte, bevor Vincent Marcozza und die beiden Polizisten ermordet wurden.
Ich hatte kein Interview mit Dwayne Robinson.
Doch was hatte ich stattdessen?
Einerseits wollte ich es nicht wissen. Nachdem ich mich die halbe Nacht im Bett gewälzt hatte, war ich nicht scharf darauf, die Morde noch einmal zu durchleben.
Andererseits: Wie konnte ich mich dem verweigern?
Nachdem ich einmal tief durchgeatmet hatte, wappnete ich mich für das, was mich erwartete. Erneut hörte ich Marcozza in Todesangst aufschreien. Ich hörte die Schüsse, durch die die beiden Detectives gestorben waren.
Doch bevor all das passiert war, hatte es noch etwas anderes gegeben, etwas, das ich nicht glauben konnte, als ich jetzt der Aufnahme lauschte.
Heilige Scheiße!
Damit änderte sich alles.
17
Mit pochendem Herzen spielte ich die Aufnahme dreimal ab, weil ich mir nicht sicher war. Höre ich das tatsächlich? Hat er das wirklich gesagt?
Ja. Ja, das hatte er.
Es war die Stimme des Mörders, bevor er kaltblütig drei Morde beging. Er sprach zu Marcozza, sagte ihm etwas, das nicht für meine Ohren bestimmt war, etwas, das ich auch hier und jetzt nicht hören sollte.
»Ich habe eine Nachricht von Eddie.«
Mein Rekorder hatte die Stimme kaum erfassen können, und der italienische Akzent machte das Verstehen auch nicht einfacher, doch ich hörte, was der Mörder sagte – unheimlich, unheilvoll und über alle Zweifel erhaben.
Das war der Beweis.
Es gab keinen anderen Eddie, jedenfalls nicht, seit Vincent Marcozza für Eddie Pinero gearbeitet hatte. Alle Vermutungen gingen in eine Richtung: Pinero hatte den Mord beauftragt. Jetzt waren die Zweifel beseitigt.
»Ich habe eine Nachricht von Eddie.«
Der Mörder hatte die Botschaft überbracht. Ich lauschte seinen Worten ein, zwei, drei Mal.
Ich drückte mich von meinem Schreibtisch ab und rollte mit meinem Stuhl bis fast an mein Bett. Auf der Bank am Fußende lag meine Hose zu dem Anzug, den ich auf der Wohltätigkeitsveranstaltung getragen hatte. Ich kramte in den Taschen nach der Visitenkarte, die David Sorren mir gegeben hatte. Ich hatte sie doch nicht etwa verloren?
Nein. Da war sie, ebenso wie meine Geldklammer, eine
halbe Rolle Pfefferminzbonbons und zwei Zahnreinigungskaugummis.
Gleich unter Sorrens offizieller Nummer stand seine Mobilnummer. Ich blickte auf den Wecker neben meinem Bett – fast drei Uhr.
Sei nicht verrückt, Nick. Du kannst Sorren jetzt nicht anrufen. Warte bis zum Morgen.
Beim vierten Klingeln meldete er sich.
18
»Hallo?«
»David, hier ist Nick Daniels«, meldete ich mich. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie so spät anrufe.«
Er brauchte ein paar Sekunden mit der Antwort. »Oh … hey, Nick«, füsterte er. »Was ist los? Alles in Ordnung?«
Ich wusste, warum er füsterte. Er war nicht allein. Klar. Im Hintergrund füsterte jemand anderes.
»Nick Daniels? Zu dieser Uhrzeit?«
Es war Brenda.
Ist schon in Ordnung, wollte ich ihm sagen. Du bist im Bett mit meiner Exfreundin. Hab schon verstanden. Ihr habt nicht Boggle gespielt.
Stattdessen tat ich so, als hätte ich sie nicht gehört, und erklärte rasch, warum ich ihn mitten in der Nacht anrief. Als Nächstes hörte ich, wie er im Bett wie eine Atomrakete nach oben schoss.
»Sind Sie sicher?«, fragte er.
»Todsicher«, antwortete ich. »Ich habe mir das Band mehrmals angehört.«
Ich erwartete, dass er atemlos »Können Sie es am Telefon für mich abspielen?« oder zumindest »Wann können wir uns treffen?« hauchte.
War doch egal, wie spät es war. Dies war der Mann, der mir nur Stunden zuvor direkt in die Augen geblickt und erklärt hatte: »Auch wenn es das Letzte ist, was
Weitere Kostenlose Bücher