Rachedurst
Doch dies war eindeutig nicht sein Stil.
»Schauen Sie, Mr. Daniels«, begann er. »Eddie Pinero ist ein kranker, durchgeknallter Wichser, der schon wegen nichtiger Anlässe und ohne schlechtes Gewissen tötet. Ich persönlich glaube nicht, dass Sie sich Sorgen machen müssen. Andererseits dachte Vincent Marcozza vielleicht das Gleiche. Die Entscheidung liegt somit bei Ihnen. Also, bekomme ich jetzt die Aufnahme oder nicht?«
20
»Oh, Mannomann.«
Dwayne Robinson saß allein in seiner winzigen, dunklen Ein-Zimmer-Wohnung auf der Upper West Side. Sie war kaum möbliert, fast so leer wie die Johnnie-Walker-Flasche mit schwarzem Etikett, die neben seinen Füßen lag.
Er murmelte vor sich hin, dachte daran, wie sehr er seine Kinder vermisste und dass es sich anfühlte, als hätte ihm jemand das Herz herausgerissen. Schon vor Jahren hatte seine Exfrau Kisha und Jamal nach Kalifornien – so weit weg wie möglich – mitgenommen. Doch selbst wenn sie nebenan gewohnt hätten, wäre es ihm peinlich gewesen, sich mit ihnen zu treffen. Seit über einem Jahr hatte er keinen Unterhalt mehr für sie gezahlt. Das letzte Mal war sein Scheck geplatzt, und auch das war ihm peinlich gewesen.
Es gab nichts mehr, das er noch verpfänden konnte. Seine beiden Cy-Young-Preise waren schon längst weg, ebenso wie die alten Yankee-Hemden. Auf eBay hatte einer seiner signierten Bälle achtzehn Dollar fünfzig gebracht. Auf seine Anfänger-Baseball-Karte hatte überhaupt niemand geboten.
Wieder klingelte das Telefon.
Es hatte schon den ganzen Nachmittag und bis in den Abend hinein geklingelt. Kein einziges Mal hatte er geantwortet und auch nicht die angezeigte Nummer überprüft. Das brauchte er nicht. Er wusste, wer ihn anrief.
Er war sich sicher, dass dieser Journalist, Nick Daniels, ein anständiger Kerl war, was die Sache aber noch schlimmer machte. Ruf ihn einfach zurück und sag ihm, dass es dir gut geht, versuchte er sich zu überreden . Lüg einfach, wie du
es immer tust. Doch selbst das schaffte er nicht. Er hatte zu viel Angst. Derselbe furchtlose Werfer, der sich entschlossen hatte, hier in New York zu bleiben, selbst nachdem er von der ganzen Stadt im Stich gelassen worden war, hatte viel zu viel Angst, mit einem Journalisten zu sprechen.
Er konnte nur die Augen schließen und hinnehmen, dass ihn die allerdunkelsten Gedanken befielen, düster wie die Schatten um die Monumente im Yankee-Stadion.
Nie wieder die Augen öffnen zu müssen. Nie wieder. Das wäre gut.
»Verdammt!«, rief er und stieß mit seiner riesigen Faust in die Dunkelheit. Doch die unsichtbaren Dämonen waren immer außer Reichweite.
Er riss die Augen weit auf, erhob sich, schaltete das Licht ein und ging im Zimmer auf und ab. Seine Angst hatte sich in Wut gewandelt, der Alkohol, der durch sein Blut pulsierte, betäubte den Schmerz nicht mehr, sondern schmierte eher das Getriebe. Alle Muskelfasern und Nervenenden zuckten gleichzeitig, als er nach der leeren Johnnie-Walker-Flasche griff und damit ausholte.
Das würde kein Curveball werden.
Dies war ein Hundertfünfzig-Stundenkilometer-Fastball, der auf der Wand vor ihm landete.
Wusch!
Glassplitter fogen durchs Zimmer, als er sich hoffnungslos in seinen Stuhl zurückfallen ließ und in seine Hände schluchzte.
Eine Sache wusste Dwayne mit Sicherheit.
Er konnte sein Geheimnis nicht mehr für sich behalten.
Er musste mit diesem verdammten Reporter reden. Wie hieß der noch mal? Nick Daniels.
21
Zu Hause angekommen, nachdem mich Detective Ford unter Strafandrohung überreden wollte, ihm meine Aufnahmen aus dem Lombardo’s zu überlassen, verbrachte ich den Rest des Tages damit, entweder Dwayne Robinson anzurufen oder über mein Leben auf der Flucht vor Eddie Pinero nachzudenken.
Das Gute daran wäre, dass das Zeugenschutzprogramm genügend Zeit und Material für einen richtig guten Artikel bieten würde.
Ich hoffte nur, dass ich wegen Pinero und dem, was er mir antun könnte, überreagierte.
Dwayne Robinson zu erreichen wurde immer frustrierender – und ich gebe nicht schnell auf. Besonders nicht bei einer Geschichte, die so groß zu werden verspricht wie diese.
Courtney hatte mir mit freundlicher Genehmigung des Agenten Dwaynes Privatnummer gegeben, doch wenn Dwayne zu Hause war, nahm er nicht ab. Er hatte nicht einmal einen Anrufbeantworter, so dass ich keine Nachricht hinterlassen konnte, in der Art von »Ruf mich an, du egozentrisches Schwein. Es ist Zeit, erwachsen zu werden,
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