Rachedurst
Dwayne«.
Immer wieder, pünktlich jede Stunde, versuchte ich den Rest des Tages – und auch die halbe Nacht – ihn zu erreichen.
Gerne würde ich von meinen Plänen für den Abend als zertifizierter, überaus begehrter Junggeselle aus Manhattan berichten, doch ich hatte nicht erwartet, am Wochenende zu Hause, geschweige denn im Lande zu sein. Ich hätte Freunde anrufen können, doch ich verspürte ohnehin keine Lust, irgendetwas zu unternehmen.
Die Person, die meine Meinung darüber hätte ändern können, war bei ihrem Verlobten. Leider wusste ich zufällig, dass die zukünftigen Mr. und Mrs. Thomas Ferramore zu Gast beim Bürgermeister und seinem Millionärskollegen Mike Bloomberg in dessen Haus auf der Upper East Side waren. Meine Einladung war mit Sicherheit verschlampt worden.
Also bestellte ich eine Pizza Hawaii, öffnete mit einem Plopp eine Flasche Heineken und sah ein bisschen fern. Ich erwischte noch ein paar Minuten von Larry King und seinen Hosenträgern, gefolgt von den örtlichen Zehn-Uhr-Nachrichten.
Was ich dann sah, war die Ironie schlechthin.
Unter dem Rand seiner tief nach unten gezogenen Kappe starrten intensive, furchtlose Augen hervor, die zu keinem Geringeren als Dwayne Robinson gehörten. Der Sender strahlte das Spiel aus, mit dem sich Dwayne an einem sehr heißen Augustabend zehn Jahre zuvor in einer Glanznummer gegen zwanzig Jungs der Oakland A’s zum ersten Mal in die Schlagzeilen gebracht hatte.
Nach meinen ergebnislosen Versuchen, Robinson zu erreichen, war ich jetzt in Versuchung, aus reinem Trotz umzuschalten. Aber ich konnte nicht. Es war ein klassisches Spiel, und egal wie oft ich es bereits gesehen hatte, fand ich einige Ausschnitte immer wieder spannend.
Offenbar war ich nicht allein.
Wie aus heiterem Himmel klingelte das Telefon neben mir auf dem Sofa. »Rufnummer unbekannt« stand auf der Anzeige.
»Hallo?«, meldete ich mich.
Keine Antwort, doch nicht nur mein Bauchgefühl sagte mir, dass jemand am anderen Ende war. Durchs Telefon hindurch hörte ich dasselbe Spiel im Fernseher.
»Dwayne?«, fragte ich. »Sind Sie das?«
Dies war mein erster Gedanke. Ich meine, hätte ich zwanzig Gegner geschlagen, würde ich mir das Spiel auch noch einmal ansehen.
Doch wenn es Robinson war, antwortete er nicht.
Ich versuchte es noch einmal. »Das war ein toller Erfolg für Sie gegen Oakland. Ein Abend für die Geschichtsbücher. Den werden Sie bestimmt nie vergessen.«
Nach einem weiteren Moment des Schweigens hörte ich endlich eine Stimme. Seine Stimme.
»Ja«, erwiderte Dwayne. »Es war ein besonderer Abend. Mir kommt es manchmal so vor, als wäre nicht ich es gewesen. Oder dass ich es nicht bin. Ich bin mir nicht ganz sicher, Mr. Daniels.«
Ich holte tief Luft und stieß sie wieder aus. »Es freut mich, dass Sie sich gemeldet haben. Ich habe mir Sorgen gemacht.«
»Ja, ich weiß, Sie haben versucht anzurufen. Es tut mir leid …«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich wollte nur wissen, ob es Ihnen gutgeht. Ihnen geht es doch gut, oder?«
Er klang nach dem Gegenteil. Ich hörte aus seiner Stimme heraus, dass er getrunken oder etwas anderes genommen hatte, doch er nuschelte nicht. Er klang eher depressiv als betrunken.
Er antwortete nicht. »Dwayne, sind Sie noch da?«, fragte ich.
»Ja.« Eine Pause, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte. »Hören Sie, es gibt da eine Sache, über die ich mit Ihnen reden muss.«
»Klar, gerne«, sagte ich. »Sagen Sie mir nur, wo.«
»Nicht jetzt. Morgen.«
Nein, nicht morgen, sondern jetzt!, wollte ich rufen.
Es ging nicht mehr um ein Sportler-Interview, das war mittlerweile klar. Es ging um etwas anderes. Aber um was?
»Wo sind Sie jetzt, Dwayne? Zu Hause? Ich kann in zehn Minuten bei Ihnen sein.«
»Nein, ich bin müde, Nick. Ein bisschen fertig, um ehrlich zu sein. Ich muss einfach nur schlafen.«
»Aber …«
»Wir reden morgen. Versprochen. Glauben Sie mir, ich kann ein Versprechen halten.«
Ich wollte ihn weiter bedrängen, hielt mich jedoch zurück.
»Gut, wie wär’s, wenn wir gemeinsam frühstücken?«
»Ich muss am Vormittag noch was erledigen. Treffen wir uns wieder zum Mittagessen«, antwortete er.
Mit unseren Treffen zum Mittagessen hatten wir nicht gerade gute Erfahrungen gesammelt, doch darauf wollte ich jetzt nicht herumreiten.
»Klingt gut, aber unter einer Bedingung«, stimmte ich zu.
»Und zwar? Welche Bedingung stellen Sie für das Interview?« , fragte er, und ich hörte fast so
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