Rachedurst
hinter dem Tresen des Sunrise Diner in der Nähe meiner Wohnung. Sie hielt bereits die Glaskanne in der Hand, um mir nachzuschenken.
»Unbedingt. Danke, Rosa.« An diesem Tag würde ich die Extraportion Koffein brauchen.
Es hatte sich keine Gelegenheit ergeben, zu erfahren, worüber Courtney und Ferramore gesprochen hatten, nachdem sie aus meinem Büro gegangen waren. Selbst wenn ich bei Courtney direkt hätte nachbohren wollen, wäre meine Neugier in diesem Punkt nie und nimmer befriedigt worden.
Weil ich Courtney nirgendwo finden konnte.
Courtney war für den Rest des Tages einfach verschwunden – puff! Ihre wahnsinnig gute Sekretärin, M. J., sagte, sie sei wortlos aus dem Büro gestürmt. Am Abend war sie zu Hause nicht ans Telefon gegangen.
Doch dann kam der nächste Morgen. Und jetzt verstand ich alles. Und nicht nur ich. Der Rest von Manhattan, wenn nicht die ganze Welt wusste Bescheid.
Jemand hatte auf YouTube ein Video veröffentlicht. Es zeigte das französische Supermodel Marbella ein paar Tage zuvor hinter der Bühne der Hermès-Modenschau in Paris. Die wahnsinnig gut aussehende Brünette hielt in einer Hand einen Zigarillo, in der anderen ein Glas Champagner und zwischen den Zähnen den voraussichtlich absoluten Renner unter den Jimmy-Choo-Schuhen der nächsten Saison.
Eine Stimme hinter der Kamera fragte das Supermodel, wer der reichste Mann war, mit dem sie je geschlafen hatte.
Nach einem Schluck Champagner und einem Zug von ihrem Zigarillo – nachdem sie zunächst den Schuh aus dem Mund genommen hatte – blickte sie direkt in die Kamera und antwortete mit französischem Akzent: »Thomas Ferramore. Er war mit Abstand der reichste!«
»Wann war das?«, fragte die Stimme.
Sie kicherte und füsterte: »Letzte Nacht.«
Hups.
Ich hatte das Video selbst nicht im Internet gesehen, doch in allen Zeitungen wurde darüber berichtet, vor allem in der New York Post, die vor mir auf dem Tresen lag, während ich meine beidseitig leicht angebratenen Spiegeleier und einen Stapel Weizentoast verspeiste. Wie schaffte ich es, mein aktuelles Gewicht von achtzig Kilo zu halten? Ausgesprochen gute Gene. Eine andere Erklärung gibt es nicht.
Egal. Natürlich litt ich mit Courtney angesichts dieser öffentlichen Erniedrigung, doch gleichzeitig hoffte ich selbstsüchtig, dass sich zwischen ihr und Ferramore alles ändern würde.
»Entschuldigen Sie, ist das Ihr Telefon?«, fragte mich plötzlich jemand links von mir.
Ich wandte mich zu dem Mann um, der dort auf dem Hocker saß. Er musste eben erst gekommen sein, weil ich ihn nicht bemerkt hatte. Er deutete auf mein iPhone zwischen uns.
»Tut mir leid«, sagte ich und zog es näher zu mir heran.
»Nein, ist schon gut, es lag nicht im Weg. Ich wollte nur sichergehen, dass es Ihres ist und nicht dem Gast gehört, der vorher hier saß.«
»Ach so«, sagte ich. »Ja, danke, es gehört mir.«
Ich wollte mich gerade wieder meiner Zeitung widmen, als er auf den Artikel über Ferramore deutete.
»Das ist ziemlich unwahrscheinlich, meinen Sie nicht?«, fragte er.
»Oh, ja, das ist es«, antwortete ich, wenn auch nur aus Höflichkeit. Ich wusste, in solchen Gaststätten kultivierte man das allgemeine Geschwätz, doch ich wollte in Frieden zu Ende essen und lesen und dann zur Arbeit und all dem gehen, was mich im Citizen erwartete.
Aber der Fremde war mit seinem Spiel noch nicht am Ende. »Das ist so eine Sache mit dem Tratsch. Jeder steckt gerne seine Nase in die Angelegenheiten anderer Leute«, fuhr er fort. »Andererseits, wie viel Mitleid kann man mit einem verlobten Milliardär haben, der seinen Schwanz in ein Eurotrash-Supermodel steckt?«
Ich erwiderte nichts, um den Kerl nicht noch zu ermutigen.
Was ihm aber egal war.
»Habe ich nicht recht, Nick?«, fragte er wieder.
Wie bitte?
Er brauchte nicht nur nicht ermutigt zu werden, er brauchte eindeutig auch keine Vorstellungsrunde.
»Kenne ich Sie?«, fragte ich.
»Nein, Nick, Sie kennen mich nicht. Aber ich kenne Sie«, antwortete er mit starrem Blick in meine Augen. »Ich weiß auch, dass Sie in entsetzlicher Gefahr sind. Wir zwei sollten uns unterhalten.«
41
Okay, jetzt hast du meine Aufmerksamkeit. Dann lass uns das Band ein Stück zurückspulen. Wer, zum Teufel, bist du?
»Wie heißen Sie?«, fragte ich.
»Ist egal«, antwortete er.
»Mir nicht. Besonders nicht, wenn Sie dieses Gespräch weiterführen wollen.«
Er verzog sein Gesicht zu einem echten New Yorker Arschgesicht-Grinsen. Ihm
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