Rachedurst
aufgerissen, mein Panikknopf verschwunden. Allerdings machte ich mir wegen etwas anderem viel mehr Sorgen.
So ganz nebenbei fuhr ich mit der Hand über meine Hosentasche, wo sich der Umriss des USB -Sticks hätte abzeichnen sollen, den Monica Phalen mir gegeben hatte.
»Suche Sie das hier?«, fragte D’zorio.
Er öffnete seine Faust, in der er den USB-Stick hielt.
»Ich vermute, Sie hatten noch keine Gelegenheit, sich den Inhalt anzusehen, Nick.«
»Nein«, bestätigte ich. »Ich habe ihn nicht gesehen.«
»Ich auch nicht. Ich denke, wenn wir ihn uns gemeinsam ansehen würden, würden wir Dinge sehen, die wir bereits wissen.«
Ich erwiderte nichts.
»Natürlich weiß ich nicht, wer sonst noch den Inhalt kennt«, fuhr D’zorio fort und tippte mit einem Fingerknöchel auf den Stick.
Damit hatte ich die Erklärung, warum ich noch lebte. Es ist schwierig, von einem Toten Informationen zu bekommen.
»Der einzige Mensch, der weiß, was sich darauf befindet, wurde ermordet«, sagte ich. »Mit Sicherheit auf Ihren Befehl. Er war übrigens ein anständiger Mensch.«
D’zorio nickte bedächtig mit dem Kopf, als würde er etwas überdenken. »Sie könnten recht haben. Aber Sie könnten auch falschliegen. Vielleicht hat Derrick Phalen mehrere Kopien gemacht. Was meinst du, Carmine?«
Zambratta, der auf der Lederbank neben mir lümmelte,
zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Bei so was kann man sich nie sicher sein.«
»Ach, deswegen?«, fragte ich D’zorio.
»Was deswegen?«, fragte er zurück.
Es hatte keinen Sinn mehr, den Dummen zu spielen. Egal, was sich auf dem USB-Stick befand und wer den Inhalt gesehen haben könnte, ich wusste schon mehr als genug. »Haben Sie deswegen Eddie Pinero reingelegt, statt ihn einfach umzubringen? Weil dann die Gefahr der Vergeltung geringer ist? Weil Sie sich nie sicher sein können?«
D’zorio winkte mit der Hand ab. »Nein, das ist nicht der Grund.«
»Was dann?«, wollte ich wissen.
»Sie würden es nicht glauben, wenn ich es Ihnen sage.«
»Seien Sie davon nicht so überzeugt. Lassen Sie’s mich versuchen.«
D’zorio tat meine Neugier mit einem Lachen ab, als der Wagen plötzlich mit über Kies schliddernden Reifen hielt. Wir waren am Ziel, wo auch immer.
»Tut mir leid, Nick« war alles, was er sagte.
Doch die Art, wie er es sagte, hatte etwas Endgültiges. Joseph D’zorio sagte nicht, dass er mir sein Geheimnis nicht verraten würde.
Er verabschiedete sich.
85
Die Wagentür wurde mit Schwung geöffnet. Ich befürchtete schon, dass sie gleich auf den Boden fiele. Draußen wartete wortlos D’zorios Fahrer, der aussah, als könnte er auf der Drückbank ganz New Jersey stemmen. Hinter ihm erblickte ich ein verlassenes Lagerhaus, das zur Hälfte niedergebrannt war. Jedenfalls wirkte es so. Einsam und verlassen. Ein Ort, an dem man deine Schreie nicht hört.
»Brauchst du Hilfe beim Aussteigen?«, fragte Zambratta. »Vielleicht einen Tritt in den Arsch?«
»Bemüh dich nicht«, sagte ich.
Er zog seine Waffe und drückte mir die Mündung genauso an den Kopf wie neulich in der Gasse neben der Pizzeria.
»Doch, werde ich«, sagte er. »Deine Zeit ist gekommen.«
Ich hob einen Fuß aus der Limousine, ließ ihn aber wegen des Geräusches, das ich hörte, mitten in der Luft hängen. Es war ein unerwartetes, aber ziemlich wunderbares Geräusch.
Sirenen.
D’zorios Fahrer hätte mir beinahe den Fuß eingeklemmt, als er die Tür plötzlich zuknallte. Bevor ich wieder saß, hatte er sich schon hinters Lenkrad geworfen.
Diese Sirenen – sie waren echt.
Und ziemlich nah. Nicht wie diejenigen, die ich in der Eingangshalle des Hauses, in dem ich wohne, gehört hatte, bevor Zambratta mich bewusstlos geschlagen hatte. Es war, als hätte sich die Kavallerie diesmal herangeschlichen und die Sirene erst im letzten Moment eingeschaltet.
Überraschung!
»Jesses Maria!«, rief Zambratta. »Wie das?«
Zambratta hob die Faust, um gegen die Trennscheibe zu hämmern, doch D’zorios Fahrer war ihm bereits einen Schritt voraus.
Als wir mit übertriebener Geschwindigkeit losfuhren, fiel mir meine Flucht in Darfur ein.
Halt dich fest, das wird eine Höllenfahrt …
86
In dem Punkt behielt ich eindeutig recht. Die Limousine schwenkte mit Karacho ein paarmal von rechts nach links, während wir drei wie in einer Salatschleuder umhergeworfen wurden. Dies und die stark getönten Scheiben waren der Grund, warum ich immer noch keine Ahnung hatte, wo wir waren.
Wie
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