Rachedurst
schnell fuhren wir? Hundertfünfzig? Hundertsiebzig? Und das auf einer Nebenstraße? Wir legten noch einen Zahn zu, als wir eine Gerade erreichten.
Die Gläser in der Bar neben D’zorio klirrten immer lauter, doch ich konzentrierte mich lieber auf die Polizeisirenen. Kamen sie näher – oder entfernten sie sich?
Ein ganzer Sirenenchor verfolgte uns, und ich konnte nur hoffen, dass die Jungs unter diesen Sirenen noch ein bisschen schneller fuhren als wir. Kommt schon. Nicht so schüchtern. Drückt auf die Tube.
Das taten sie.
Peng! Peng-peng! Pling! Pling!
»Sie versuchen die Reifen zu treffen«, stellte Zambratta fest. So schnell, wie man mit zwei Händen schießen sagen konnte, riss er zu der Waffe, die in seiner Jackentasche gesteckt hatte, noch eine zweite aus einem Schienbeinhalfter.
»Warte!«, sagte D’zorio. »Nicht!«
Nicht?
Zambratta sah seinen Boss an, als wäre ihm eine dritte Hand gewachsen.
»Dieses Arschloch hat gesehen, wie ich zwei Typen umgebracht habe«, sagte er und wedelte mit einer Waffe vor meinem
Gesicht, die wie eine 9-mm-Glock aussah. »Sie scheinen zu wissen, dass er hier ist.«
»Egal«, wiegelte D’zorio ab. »Man wird dir nichts anhängen können. Ich kann dich schützen, Carmine.«
Jetzt sah ich D’zorio an, als hätte er drei Köpfe. Man wird ihm nichts anhängen können? Wie hat man sich das vorzustellen? Ich saß hier während einer Polizeiverfolgung im falschen Wagen und am falschen Ende von zwei Waffen, und was musste ich mir anhören? Dass D’zorio seinen bevorzugten Handlanger schützen konnte? Aus dem Munde eines Bosses klang es doch recht seltsam. Als wären alle außer ihm dumm.
Ich blickte Carmine Zambratta an, der eindeutig dasselbe dachte. Aber nicht lange. Er nahm seinen Boss nicht ernst. Stattdessen öffnete er das verglaste Schiebedach.
»Ich sag dir doch, dass ich dich schützen kann«, fehte D’zorio.
»Nein, kannst du nicht«, widersprach Zambratta. »Das schaffe ich schon selbst.«
Er sprang auf und schob mit gezückter Waffe seinen Oberkörper durchs offene Schiebedach. Zwischen den zischenden Kugeln und dem peitschenden Wind in der Limousine konnte ich kaum einen klaren Gedanken fassen.
Doch ich begriff, was D’zorio im Schilde führte.
Eh, das war echt unglaublich.
87
D’zorio schien die Schüsse zu zählen wie Dirty Harry und abzuwarten, bis Zambratta nachladen musste. In dem Moment griff er nach vorne und drückte den Schalter fürs Schiebedach – Zambratta, der mit dem Oberkörper draußen hing, wurde eingeklemmt.
»Scheiße, was soll das?«, schrie Zambratta mit zappelnden Beinen. Der Zamboni, D’zorios geschätzter Vollstrecker, hatte keine Patronen mehr in der Waffe und war den gegnerischen Kugeln hilflos ausgeliefert. Der Rest war für die Polizei ein Kinderspiel.
In den nächsten Sekunden schrie Zambratta wie am Spieß, als er mehrmals getroffen wurde. Dann – plumps.
Sein lebloser Körper fiel aufs Dach der Limousine, während die Hand mit der 9-mm-Glock durch den Spalt rutschte. Blut tropfte von seinen Fingerspitzen.
D’zorio schüttelte den Kopf. »Der Kerl wollte einfach nicht hören«, sagte er. Oh, ich verstehe. Deswegen hast du ihn einfach umgebracht?
Die Limousine schwenkte scharf nach rechts, so dass ich über den Sitz purzelte. Als ich mich wieder aufrichtete, versuchte ich, durch die getönten Scheiben etwas zu erkennen. Wir fuhren nicht mehr an Bäumen vorbei, sondern an Autos.
Wir waren auf einen großen Highway abgebogen und legten noch an Geschwindigkeit zu.
»Halten wir jetzt an?«, rief ich D’zorio über den Sirenenlärm hinweg zu. »Das haben Sie doch gesagt!«
»Noch nicht«, antwortete er.
Er griff in ein kleines Fach rechts von sich, das nicht größer
war als eine Schachtel mit Papiertaschentüchern. Leider enthielt das Fach aber etwas anderes. Gott, warum haben alle eine Waffe außer mir?
Anschließend zog er das Taschentuch aus seiner Brusttasche und legte es auf seine fache Hand.
»Was tun Sie da?«, fragte ich.
Doch ich wusste es bereits. Er sorgte dafür, dass auf seiner Hand keine Schmauchspuren zurückblieben.
»Wie ich Ihnen vorhin schon erklärte, Nick, Sie würden es nicht glauben, wenn ich es Ihnen sagen würde.«
Mit diesen Worten richtete er die Waffe auf meine Brust. Die Limousine wechselte ständig die Spur, doch D’zorio hielt seine Hand überraschend ruhig. Er hatte Übung.
»Moment … Moment!«, rief ich. »Sie haben Zambratta gehört – die Polizei weiß, dass
Weitere Kostenlose Bücher