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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst Kostenlos Bücher Online Lesen
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fast immer Zwillinge. Die Nachkommen waren trotz ihrer geringen Größe perfekt proportioniert und konnten sich binnen weniger Tage so schnell fortbewegen wie erwachsene Tiere. Er liebte es, die verspielten Jungtiere dabei zu beobachten, wie sie einander jagten oder wie sprühende Funken zwischen den Beinen der Muttertiere herumtollten.
    Er schwenkte das Spektiv und entdeckte den Leitbock. Wie immer stand er abseits der Herde, jederzeit bereit, sich ins Getümmel zu stürzen, um seinen Willen durchzusetzen oder Verfehlungen zu bestrafen. Während Joe ihn durchs Spektiv bewunderte, schoss plötzlich eine Wolke aus Staub und Haaren aus seinem Nacken, und das Tier ging mit eingeknickten Beinen zu Boden. Ein Gewehrschuss folgte – der Klang eines Treffers, der über die Salbeistrauch-Ebene waberte. Joe sah den Bock heftig ausschlagen und die Beine im Totentanz wie Windmühlenflügel durch die Luft bewegen.
    Â»Mann!«, schrie er, ganz verblüfft über das, was vor seinen Augen geschehen war.
    Die Herde sprintete los, jagte über das Felsplateau und zog Staubfahnen hinter sich her, die Kondensstreifen ähnelten.
    Wütend sprang Joe mit seinem Fernglas aus dem Pick-up. Pronghorns durften erst in vier Monaten gejagt werden. Ehe er das Gerät an die Augen setzte, überflog er die Hügel, um den Schützen auszumachen. Ob der Wilderer nicht gewusst hatte, dass der Jagdaufseher in der Nähe war? Nein, dachte Joe, das wäre ein zu großer Zufall. In einem Bezirk von fast viertausend Quadratkilometern ist die Chance, dass ein Tier vor meinen Augen gewildert wird, verschwindend gering. Es muss sich also um eine absichtliche Provokation, eine direkte Herausforderung handeln.
    Joe folgte dem Stacheldrahtzaun, der das in Bundeseigentum befindliche Land vom Gebiet der Thunderhead Ranch trennte. Der Zaun erstreckte sich, so weit das Auge reichte. Doch dahinter – auf einem Höhenrücken, den eine Bodenwelle teilweise verdeckte – stand ein heller Pick-up, den er nicht kannte.
    Wütend hob er das Fernrohr und stellte es scharf.
    Der Pick-up kam in den Blick.
    Es war ein älteres Modell, mindestens zehn Jahre alt, hellgelb, mit Rostflecken an der Tür. Der Wagen kam ihm bekannt vor, aber woher? Er nahm sich nicht die Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen. Die Fahrertür stand offen, die Scheibe war heruntergelassen. Ein Gewehr lag im Fenster und wies noch immer auf das Felsplateau.
    Nun tauchte ein Mann hinter der Tür auf und winkte.
    Bill Monroe.
    Er winkte Joe erneut auf eine alberne Weise zu, die »Komm doch her!« zu besagen schien.
    Dann entfernte er sich von seinem Pick-up, stellte sich breitbeinig hin und zog sein Glied aus der Hose, das im Kontrast zu seiner blauen Jeans deutlich zu erkennen war. Er pisste einen weiten Strahl in den Staub, lehnte sich demonstrativ zurück und wies mit der freien Hand auf Joe. Der konnte ihm von den Lippen ablesen, was er schrie: » Sieh mal, wie ich über dich denke, Joe Pickett. «
    ***
    Ein dem Gewehrschuss ähnelnder Donnerschlag dröhnte durch die Breaklands, gefolgt von einem langen, kehligen Rumpeln. Joe spürte selbst beim Fahren, wie die Temperatur sank, als die Wolken sich vor die Sonne schoben und Licht und Schatten dämpften.
    Er hatte die Anhöhe erklommen und fuhr auf der anderen Seite in ein Tal, um die Verfolgung von Bill Monroe aufzunehmen. Es gab keine befestigten Straßen, die von der Stelle, von der aus er die Wilderei beobachtet hatte, hinüber zum Felsplateau und weiter bis an die Thunderhead Ranch führten. Also folgte Joe mit dem linken Vorderrad einem sich schlängelnden Wildwechsel, der vage auf Monroes Pick-up zuhielt, und pflügte mit den rechten Reifen durch kniehohen Salbei. Er fuhr viel schneller, als er es hätte tun sollen, und der Motor lief heiß. Die Vorderpfoten auf dem Armaturenbrett, stand Maxine auf der Sitzbank und rang um ihr Gleichgewicht.
    Dieser verdammte Kerl, dachte Joe.
    Er hasste Wilderer, und zwar nicht nur, weil sie die Gesetze brachen, die durchzusetzen er geschworen hatte. Er hasste die Idee des Wilderns, die darin bestand, ein Tier zum Spaß zu töten, ohne jegliche Intention, dessen Fleisch verzehren zu wollen. Wilderei empfand er als persönliche Beleidigung, und dann auch noch selbst dabei zusehen zu müssen, von Bill Monroe auf diese Weise verspottet zu werden …
    Und Monroe machte noch immer keine Anstalten zu fliehen,

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