Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Racheengel

Racheengel

Titel: Racheengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
Vom Netzwerk:
anschwellende Lippe.
    Darius wischte sich rote Spritzer von der Wange und sagte auf Litauisch: »Ich habe dir schon gesagt, wir wissen es nicht. Es ist mit diesem Mädchen abgezogen und nicht wiedergekommen.«
    »Na schön.« Herkus lächelte und sprach Sam auf Englisch an. »Machen wir eine kleine Spazierfahrt.«

10
    Lennon schlotterte. Die Zahl der Anwesenden am Tatort war inzwischen stetig angewachsen. Als Erster traf der Rechtsmediziner ein. Dr. Eoin Donaghy trug einen Regenmantel über dem Schlafanzug. Seine einzige Aufgabe hier war, offiziell das Erlöschen des Lebens festzustellen. Es kostete ihn nur ein paar Sekunden, bis er mit Gewissheit sagen konnte: »Ja, der ist mausetot.«
    Er trottete zurück zu Lennon und streifte sich die OP-Handschuhe ab, die er bei der Untersuchung getragen hatte, so kurz sie auch gewesen war. »Ziemlich kalte Nacht, um hier draußen jemanden umzubringen«, sagte er.
    »Stimmt«, sagte Lennon.
    »Böse Sache, das mit dem jungen Hafenpolizisten. Wie schlimm ist es?«
    »Schlimm genug«, sagte Lennon. »Aber er kommt durch.«
    »Ah, gut«, sagte der Arzt. »Na ja, wenn sonst nichts mehr ist?«
    »Nein«, sagte Lennon, »das wäre alles. Danke.«
    Sie gaben sich die Hand, und während der Arzt zu seinem Wagen zurückkehrte, kam Connolly herbei.
    »Ich habe einen Namen«, sagte er.
    Er hatte die letzte Viertelstunde in seinem Streifenwagen gesessen, mit dem Diensthabenden auf der Wache gesprochen und ihn gebeten, alle Verhaftungen wegen Störung der öffentlichenOrdnung zu überprüfen, die Connolly in den letzten Monaten vorgenommen hatte.
    »Ich wusste doch, dass ich den schon mal gesehen hatte«, sagte er. »Tomas Strazdas. Litauer. Letzten Oktober habe ich ihn wegen Störung der öffentlichen Ordnung festgenommen. Er hatte sich mit den Türstehern eines Nachtclubs angelegt. Hat ihm eine Nacht in der Zelle und eine Rechtsbelehrung beschert.«
    »Das ist alles?«, fragte Lennon.
    »Einem der Türsteher hat er ordentlich was aufs Maul gegeben«, sagte Connolly. »Bis zum nächsten Morgen wollte der Türsteher unbedingt Anzeige erstatten.«
    »Sie glauben, dass jemand ihn unter Druck gesetzt hat?«
    »Kann sein«, sagte Connolly. »Ich erinnere mich noch, dass irgendein Koloss, auch ein Litauer, ihn am nächsten Tag von der Wache abgeholt hat. Das ist mir damals komisch vorgekommen. Der Koloss war irgendwie … wie sagt man gleich? Wenn man mit seinem Chef spricht?«
    »Unterwürfig?«, schlug Lennon vor.
    »Ja, genau. Unterwürfig. Als wäre Tomas der Boss von diesem Kerl.«
    »Ich denke, wir müssen wohl mal ein wenig in Tomas’ Vorgeschichte herumwühlen. Lust auf ein bisschen Ermittlungsarbeit?«
    Connollys Gesicht wurde starr bei dem Versuch, ein Lächeln zu unterdrücken. »Ja, glaube schon.«
    »Gut«, sagte Lennon. »Ich kläre das mit DCI Thompson ab. Wenn Sie hier fertig sind, gehen Sie nach Hause und ruhen sich etwas aus. Kommen Sie um sieben in mein Büro.«
    Auf Connollys Glückseligkeit legte sich nun auch noch ein Schimmer der Hoffnung. »Ich bin morgen Abend mit der Nachtschicht dran.«
    »An Heiligabend? Das biege ich ab, keine Sorge. Sie werden den Abend mit Ihrer Familie verbringen können.«
    Jetzt konnte Connolly ein Grinsen nicht mehr unterdrücken. »Danke«, sagte er.
    »Schon in Ordnung. Sehen Sie nur zu, dass Sie diese Chance so gut wie möglich nutzen. Wenn Sie bei mir anständige Arbeit abliefern, werde ich dafür sorgen, dass das weiter oben nicht verborgen bleibt.«
    Jenseits des Absperrbandes fuhr ein Geländewagen der Polizei vor. Zwei Männer stiegen aus, ein Forensiker und ein Fotograf. Bis es hell wurde, lohnte es nicht, ein komplettes Team herzubeordern. Bis dahin würden sie nur ein Zelt über die Leiche stellen und rasch ein paar Fotos machen.
    Lennon bezweifelte, dass er vor dem Morgengrauen hier wegkam. Bevor er ins Büro fuhr, um für DCI Thompson seinen Bericht zu schreiben, würde er noch zu Hause vorbeifahren, um nach Ellen zu sehen. Man hatte ihn ohnehin schon auch für den Heiligabend vorläufig zum Dienst eingetragen, auf Hewitts Betreiben hin, da war er sich sicher. Aber dann wäre er immerhin am frühen Abend zu Hause gewesen und hätte den Rest des Abends mit seiner Tochter verbringen können. Mit ein bisschen Glück konnte das immer noch klappen, aber dann würde er so müde sein, dass er letztlich doch wieder nur auf der Couch einschlief.
    Das letzte Weihnachtsfest war sang- und klanglos an ihnen vorübergegangen. Abgesehen von

Weitere Kostenlose Bücher