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Racheengel

Racheengel

Titel: Racheengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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einen Kampf hin.«
    Kraftlos schleppte sich Lennon an seinen Schreibtisch. Er warf den Bericht auf den Aktenstapel, der sich dort bereits aufgetürmt hatte, und hielt sich das kalte Getränk an die Stirn.
    Vier Tote in zwölf Stunden.
    Er hatte Connolly und den Sergeant vom Distrikt C in der Wohnung in Bangor zurückgelassen. Eigentlich konnten sie nur darauf warten, dass die Spurensicherung kam und übernahm. Das Blut Tomas Strazdas zuzuordnen, war eigentlich nur eine Formsache, aber vor Weihnachten würde es damit wohl nichts mehr werden.
    Lennon setzte sich, machte die Dose auf und fluchte, als derInhalt über die Unterlagen spritzte. Er zog den Strazdas-Bericht und den Pass aus der Gefahrenzone und wischte die Flüssigkeit mit einem Papiertaschentuch weg.
    Der Bericht war eigentlich nur ein erster Entwurf des Kriminaltechnischen Instituts, einer Privatfirma, die viele wissenschaftliche Untersuchungen für die nordirische Polizei durchführte. Sie war in einem ehemaligen Polizeigebäude in Carrickfergus untergebracht, einem Standort, der für die anstehende Arbeit eigentlich völlig ungeeignet war. Ihr altes Labor war Anfang der neunziger Jahre bei einem Bombenanschlag zerstört worden, und seitdem behalf man sich in der Küstenstadt.
    Doch trotz der begrenzten Möglichkeiten seines Standorts gehörte das Institut zu den fortschrittlichsten und umfassendsten kriminaltechnischen Einrichtungen in Europa, das seine Methoden durch die jahrzehntelange Untersuchung von größeren und kleineren terroristischen Anschlägen, die praktisch jeden Tag vor seiner Haustür verübt wurden, immer weiter verfeinert hatte.
    Soweit Lennon wusste, lag Tomas Strazdas’ Leichnam immer noch, mit einem weißen Zelt vor dem Schnee beschirmt, da draußen am Wasser und wartete darauf, dass man ihn abholte und ins neue Leichenschauhaus im Royal Victoria Hospital brachte. Dort würde ein Arzt des Staatlich-Pathologischen Instituts ihm die letzte Ehre erweisen.
    An Heiligabend würde es den armen Tropf treffen, der an diesem Feiertag Bereitschaft hatte. Und als hätte es nicht schon gereicht, eine Leiche untersuchen zu müssen, waren es jetzt sogar noch drei mehr. Lennon sprach ein weiteres Stoßgebet, dass nicht er der Beamte war, der zugegen sein musste, wenn die Skalpelle und Sägen ausgepackt wurden.
    Er hatte schon im Büro von CI Uprichard angerufen und gefragt, ob diese miteinander in Verbindung stehenden Fälle einem der anderen Distrikte zugewiesen werden würden, aber Uprichardwusste es nicht. An Heiligabend war es schwer, jemanden festzunageln, doch Uprichard würde herumtelefonieren und zusehen, dass er eine Entscheidung bekam.
    Lennon machte sich keine großen Hoffnungen. Während er den Bericht durchblätterte, zog er sein Handy aus der Tasche.
    Als Susan sich meldete, grinste ihn gerade die Scharte in Strazdas’ Kehle an.
    »Wie geht es Ellen?«, fragte er.
    »Sie fragt die ganze Zeit nach ihrem Daddy«, antwortete Susan. »Bleibst du noch lange weg?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Lennon. »Hast du die Nachrichten gesehen?«
    »Ich habe sie nebenbei laufen lassen. Einer an den Docks und noch zwei in Newtownabbey. Hinter welchen bist du her?«
    »Im Moment hinter allen«, sagte Lennon. »Aber man weiß ja nie. Vielleicht nimmt sie mir noch jemand ab.«
    »Ist das wahrscheinlich?«
    »Nicht sehr«, sagte er. »Kannst du Ellen noch eine Weile behalten?«
    »Das weißt du doch«, sagte sie. »Lucy freut sich. Wie Ellen das finden wird, weiß ich allerdings nicht. Im Moment machen die beiden ihr Mittagsschläfchen.«
    »Kann ich mit ihr sprechen?«
    »Jack, ich habe sie gerade erst hingelegt.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Nur einen Moment, mehr nicht.«
    »Na gut.« Ihre Stimme hörte sich abgespannt an.
    Während er wartete, blätterte er den Bericht mit den Fotos durch. Todesursache sehr wahrscheinlich eine Wunde am Hals, noch zu bestätigen durch Staatlich-Pathologisches Institut. Stoffstück und Elektrodraht zur Untersuchung vom Untersuchungsort entfernt. Fehlendes Blut am Tatort deutet darauf hin, dass der Tod woanders eintrat und die Leiche anschließend zum Fundort verbrachtwurde. Reifenspuren vor Ort untermauern diese Vermutung.
    Warum verschwendeten forensische und pathologische Berichte eigentlich immer so viel Zeit auf Dinge, die ohnehin offensichtlich waren? Die Details waren es, in denen der Schlüssel lag. Verborgen wie Lichtpunkte am Himmel, die zunächst nur verschwommen waren, wenn man hinaufsah, die man aber in

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