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Racheengel

Racheengel

Titel: Racheengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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bearbeitet hatte, war an einem Herzinfarkt gestorben. Und der Bauunternehmer, bei dem er am häufigsten beschäftigt gewesen war, hatte, kaum dass der Immobilienmarkt zusammengebrochen war, seine Zelte abgebrochen und sich nach Spanien abgesetzt.
    Damit war Lennon nun also wieder an den Anfang der Spur zurückgeworfen, dem Haus von Paynters Tante Sissy Reid, bei der er gewohnt hatte, als er nach Belfast gekommen war.
    Er steckte sein Handy weg und öffnete die Autotür. Ein kalter Windstoß ließ ihn zittern, und er fluchte. Er stieg aus und schloss den Wagen ab. Seine Schuhe knirschten im Schnee, der sich noch nicht in den üblichen graubraunen Matsch verwandelt hatte.
    Keinerlei Fußspuren verschandelten die weiße Decke auf dem Gartenweg. Seit es am Morgen so richtig zu schneien begonnen hatte, war er der Erste, der hier einen Besuch abstattete, und wie es aussah, war seitdem auch niemand aus der Haustür gekommen. Im Fenster brannte kein Licht.
    War überhaupt jemand zu Hause? In den Akten hatte gestanden, die Tante habe sonst keine Familie, aber vielleicht verbrachte sie Weihnachten ja bei einer Freundin.
    »Das werden wir gleich herausfinden«, sagte Lennon laut. Seine einsame Stimme klang in der Winterluft hart und trocken.
    Er öffnete das Gatter und stapfte zur Tür.
    Keine Türglocke.
    Er klopfte und wartete.

50
    Als Herkus den Fahrer traf, stand der gerade in einer Imbissbude in  der Antrim Road an einem Spielautomaten. Die Fahrt hierher hatte nicht lange gedauert, die Weihnachtseinkäufer waren inzwischen schon auf dem Weg aus der Stadt und in ihr warmes Zuhause. Trotzdem hing Herkus’ Geduld nur noch an einem seidenen Faden. Der pochende Schmerz hinter seinen Augen tat sein Übriges.
    Gordie Maxwell hatte gesagt, der Name des Fahrers sei Mackenzie und er werde ihn an seiner plumpen Tätowierung der Ulster Volunteer Force auf dem Handrücken erkennen.
    Als Mackenzie merkte, dass er beobachtet wurde, drehte er sich zu Herkus um, hob die Augenbrauen und sagte: »Gordy hat gesagt, du wärst ein echter Koloss. Mann, da hat er nicht gelogen.«
    Herkus zog den Umschlag aus der Tasche und zeigte ihn Mackenzie. »Der Mann da. Wer ist das?«
    Mackenzie wandte sich wieder seinem Spiel zu. »Gordie hat gesagt, für mich sprängen ein paar Scheine raus.«
    »Kommt darauf an, was du mir erzählst.«
    Mackenzie grinste. »Und was ich dir erzähle, hängt davon ab, ob die Kohle stimmt. Weihnachten ist heutzutage richtig teuer, harte Zeiten und so.«
    Herkus dröhnte der Kopf. Er räusperte sich. »Ich frage nur noch einmal nach. Wer ist das?«
    Mackenzie sah ihn an. »Jetzt hör mal zu, du polnischer Scheißer, ich bin nicht irgend so ein Ganove, den du herumschubsen kannst. Du kannst hier jeden nach mir fragen, die werden dir erzählen …«
    Herkus schlug ihm in die Eier.
    Mackenzie klappte zusammen, rang nach Luft und lief rot an.
    Das Mädchen hinter der Theke schrie auf. Herkus richtete knurrend seinen wulstigen Finger auf sie, worauf sie keinen Mucks mehr von sich gab.
    Er hockte sich über Mackenzie, der dalag wie ein Embryo und sich die Weichteile hielt.
    »Ich bin kein Pole«, knurrte er. »Und jetzt sag mir, wo der Mann ist.«
    Mackenzie wollte aufbegehren, aber Herkus packte mit seiner riesigen Pranke das Gesicht des anderen.
    »Ich habe schlechte Laune«, sagte er. »Ganz müde. Fang nicht an Streit mit mir, oder ich dir tue sehr weh. Verstanden?«
    Mackenzie nickte.
    Herkus ließ sein Gesicht los. »Also. Erzähl.«
    »Na gut. Ich bin mir nicht sicher, ob er es wirklich ist oder nicht, aber ein paar Male habe ich so einen Typen bei ein paar von Roscoe Pattersons Buden abgeholt. Weißt schon, wo der seine Mädchen anschaffen lässt. Er hat nie was gesprochen, war immer still. Eines der Mädchen hat mir erzählt, dass er nie etwas mit ihnen machen wollte. Er wollte nur mit ihnen reden, über Religion und so. Weißt schon, wollte versuchen, sie zu bekehren. Ich habe mir nie viel dabei gedacht. Es gibt eben auch Spinner. Komisch war nur, dass ich ihn jedes Mal woanders absetzen sollte. Immer irgendwo in der Nähe der Cavehill Road, aber nie an derselben Stelle. Als wollte er nicht, dass ich weiß, wo er wohnt.«
    Herkus hielt Mackenzie den Umschlag mit der Zeichnung vors Gesicht. »Der Mann hier. Ist er es?«
    »Ich glaube schon«, sagte Mackenzie. »Jedenfalls sieht er so aus, mit der Narbe und so. Aber einmal, da habe ich ihn irgendwo draußen nicht weit von Newtownards abgeholt und in die Cavehill Road

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