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Racheengel

Racheengel

Titel: Racheengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Paynter wurde wiedergeboren. Und Edwin Paynter hatte sich schon auf einen solchen Moment vorbereitet. Den Zeitpunkt, wo er fliehen musste.
    Aber zuerst war da noch der Hüne.
    Und das Mädchen.
    Er wechselte den Schraubenzieher von der linken in die rechte Hand und hob die Hand zum Lichtschalter.

58
    Herkus versuchte zu begreifen, was er sah. Das da war auf jeden Fall die Hure, genau wie Darius sie beschrieben hatte und der Frau aus dem Pass sehr ähnlich, den dieser Cop ihm gezeigt hatte. Aber sie war übersät mit blauen Flecken und Wunden, so als ob man sie mit Fußtritten aus der Ukraine hierher und wieder zurück befördert hätte. Ihre Kleider waren blutverkrustet. Man hatte ihr ein Handtuch in den Mund gestopft, und ihre Füße standen in einer Schüssel mit blutigem Wasser. Ihre Hände waren mit Kabelbindern an den Stuhl gefesselt, und neben der Schüssel lagen eine Zahnbürste und eine Drahtschere auf dem Boden.
    Und trotzdem hatte er noch nie ein Mädchen gesehen, das sich so freute. Die Ärmste. Dachte sie etwa, dass er gekommen war, um sie zu retten? Beinahe hätte er laut aufgelacht, presste aber die Lippen zusammen, damit nicht sonst jemand etwas hörte.
    Wer hatte ihr das angetan? Der Mann, den Rasa gezeichnet hatte? Wenn ja, dann war er eindeutig krank im Hirn.
    Und vermutlich immer noch im Haus.
    Herkus überlegte, wie er jetzt am besten vorgehen sollte. Die Prioritäten lagen auf der Hand. Arturas wollte, dass die Hure starb, und er würde auch einen Beweis dafür fordern. Die einfachste Variante war, ihr mit der Glock eine Kugel in den Kopf zu jagen und dann mit seinem Handy ein Foto zu machen, das er seinem Boss zeigen konnte.
    Je einfacher, desto besser. Herkus hielt nichts davon, Sachen unnötig zu komplizieren. Er zog die Glock aus dem Hosenbund, lud durch und drückte ihr die Mündung an die Stirn.
    Eine Sekunde lang konnte er in den Augen der Hure noch die Hoffnung und Freude sehen, dann ging das Licht aus. Dunkelheit hüllte ihn ein.

59
    Lennon erkannte den Mercedes, als er dahinter anhielt. Er stieg aus seinem Audi und umrundete den Benz. Von der Fahrertür liefen Fußspuren weg und wieder zurück, die Spur führte um das Haus herum.
    »Mist«, fluchte er und stieß dabei eine Nebelwolke aus.
    Es hatte aufgehört zu schneien, dafür war die Kälte jetzt so schneidend wie den ganzen Tag über noch nicht. Lennon drehte sich einmal im Kreis. Wie konnte ein Haus mitten in der Stadt so abgeschieden wirken? Was verbarg sich dort drinnen? Was wollte Strazdas’ Schläger hier?
    Lennon hatte nicht vor, dieses Haus allein zu betreten. Er zog sein Handy aus der Tasche und rief den Diensthabenden im Revier an.
    »Haben Sie einen Wagen in der Nähe der Cavehill Road?«, fragte er. »Ich habe hier einen Verdacht auf Einbruch, aber ich habe keine Lust, die Sache allein anzugehen.«
    »Die meisten Streifenwagen sind gerade im Zentrum«, antwortete der Diensthabende. »Behalten die Trinker im Auge. Im Augenblick dürfte allerdings noch nicht so viel los sein. Soll ich Ihnen einen rüberschicken?«
    »Ja.« Lennon gab ihm die Adresse. »Ich unternehme nichts, bis …«
    Ein Schuss aus dem Haus durchbrach die eisige Stille. Das Echowurde vom Schnee gedämpft, der alles verhüllte. In den Nachbarstraßen bellten aufgeschreckte Hunde.
    »Es ist ein Schuss gefallen«, rief Lennon. »Schaffen Sie sofort den Wagen her! Ich stecke in der Klemme.«

60
    Herkus schlug hart auf dem Boden auf und rang nach Luft. Er hatte noch versucht, sich wegzurollen, aber etwas Schweres schnürte ihm die Brust zu und raubte ihm den Atem. Fast wäre ihm die Glock entglitten, er hielt sie jedoch noch fest, hob sie und drückte blindlings ab.
    Die Mündung blitzte auf, und für den Bruchteil einer Sekunde sah er ein Mondgesicht mit gefletschten Zähnen und weit aufgerissenen Augen. Dann war das Gewicht weg, und er bekam wieder Luft.
    Er kroch zurück, bis er an eine Wand stieß. Ein hohes, sirrendes Geräusch und ein Druck auf den Ohren irritierten ihn. Aus dem wenigen, was er registriert hatte, als er hereingekommen war und die Hure entdeckt hatte, versuchte er, seine Umgebung zu rekonstruieren. Das Hörvermögen dieses Irren war gerade mit Sicherheit genauso beeinträchtigt wie sein eigenes, aber er kannte sich in diesem Keller besser aus.
    Herkus empfand etwas, das einer Panik so nahekam, wie er es noch nie erlebt hatte. Sollte er sich bewegen? Still liegen bleiben? Er schluckte mühsam, um den Druck auf seinen Ohren zu

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