Rachegott: Thriller
Entspannung. Er könnte sich niemals vorstellen, dem Alltag zu entfliehen, indem er ein Buch zur Hand nahm.
„Ich gehe davon aus, dass Sie zuerst von mir wissen möchten, wo ich war, als meine Frau ermordet wurde“, begann Lutz das Gespräch, als er sich auf die Couch setzte.
Nora zog ihren Notizblock aus der Tasche und nickte.
„Ich war eine Runde spazieren. Ich bin ein absoluter Naturfreund. Jeden Morgen muss ich in die Welt hinaus. Sonst fehlt mir etwas.“
„Wo genau waren Sie?“
„Keine fünfhundert Meter von hier entfernt. Es gibt dort einen kleinen See, der etwas abgeschieden liegt.“ Lutz deutete mit der rechten Hand in Richtung Norden. „Vielleicht kennen Sie ihn? Ein Kiesweg führt um ihn herum. Dort habe ich Enten gefüttert.“
„Von wann bis wann waren Sie außer Haus?“
„Ich bin um neun Uhr gegangen und um halb elf wiedergekommen. Dabei fand ich Trude.“
„Sie haben von dem Mord also überhaupt nichts mitbekommen?“
„Nein.“
„Haben Sie denn eine Idee, wer dafür verantwortlich sein könnte? Hatte Ihre Frau Feinde? Wurde sie bedroht?“
Lutz schüttelte den Kopf. „Meine Frau war viel zu lieb, als dass sie Feinde hätte haben können. Zudem lassen wir die Menschen machen, was sie wollen. Daher kann ich mir keine Menschenseele vorstellen, die einen Grund für diese Tat hatte.“
„Wissen Sie, ob Ihre Frau zum Zeitpunkt des Mordes Besuch erwartet hat?“
„Nein, sie hat niemanden erwartet. Sie wollte sich im Garten etwas entspannen, weil sie gestern den ganzen Tag an einer neuen Geschichte geschrieben hat.“
Nora notierte sich diese Informationen. „Haben Sie Kinder?“
„Ich habe einen Sohn. Allerdings aus meiner ersten Ehe. Trude hat keine Kinder. Sie hat sich immer welche gewünscht, aber dieser Segen war ihr nicht vergönnt. Wieso fragen Sie?“
„Nur für das Gesamtbild.“ Die Ermittlerin zögerte, ehe sie ihre nächste Frage stellte: „Sagt Ihnen der Name Thorsten Junker etwas?“
„Nein, nie gehört.“
„Wie steht es mit Gertrud Muster?“
„Muster? Ja, sie ist die Ehefrau dieses reichen Unternehmers und leitet einen kleinen Verlag.“ Lutz bekam große Augen. „Und sie wurde gestern erschossen. Das habe ich in der Zeitung gelesen. Um Himmels willen! Denken Sie etwa, dass diese Taten zusammenhängen? Demnach wird dieser Junker Ihr Verdächtiger sein! Hat er meine Frau ermordet? War er es? Aber warum? Wer ist dieser Kerl? Was ist sein Motiv? Meine Frau und ich haben überhaupt nichts mit einem Junker oder den Musters zu tun. Wir haben diese Menschen nie getroffen.“ Er hielt inne. Sein Blick flog kreuz und quer durch den Raum. „Aber mir fällt gerade etwas anderes ein: Trudes Bruder Paul hat sich in letzter Zeit häufig mit ihr gestritten. Ich weiß nicht, worum es bei diesen Disputen ging, aber der letzte war so heftig, dass die beiden den Kontakt zueinander abgebrochen haben.“
„Haben Sie Ihre Frau nicht gefragt, worum es bei diesem letzten Streit ging?“
„Nein, ich wollte mich nicht einmischen. Im Nachhinein hätte ich das wohl machen sollen. Dann könnte ich Ihnen jetzt mit Bestimmtheit sagen, ob der Streit möglicherweise etwas mit der Ermordung zu tun hat.“ Er schlug sich auf die Oberschenkel. „So ein Mist! Es gibt viele Dinge, denen man zunächst keine Beachtung schenkt, die aber nach einiger Zeit unglaublich wichtig werden.“
„Wissen Sie, wie wir Ihren Schwager erreichen können?“
„Ja, er wohnt hier in Göttingen in der Theaterstraße . Möchten Sie, dass ich Ihnen seine Telefonnummer heraussuche? Das wäre kein Problem.“
„Nein, das wird nicht nötig sein. Wenn er hier in der Stadt wohnt, dann werden wir ihn persönlich aufsuchen.“
„Verstehe.“
Als die Titelmelodie von Beverly Hills Cop ertönte, zog Thomas sein Handy aus der Tasche und sah Lutz entschuldigend an. Dann trat er zur Seite und nahm den Anruf entgegen. „Ja, was gibt es?“
„Das wird dir nicht gefallen, Scarface!“
Tommy identifizierte den Anrufer sofort als Viktor Dorm. „Wovon sprichst du? Was wird mir nicht gefallen?“
„Ich bin noch im Haus von Thorsten Junker. Die Beamten der SpuSi haben im Keller eine weitere Kiste mit Fotos gefunden.“
„Wer ist auf den Bildern zu sehen? Gertrud Muster? Trude Weishaupt?“
„Keine von beiden.“
„Sondern?“
„Jana Schneidbrenner.“
Thomas stutzte. Mit diesem Namen konnte er zunächst nichts anfangen. Aber nach und nach dämmerte es ihm: „Meinst du etwa die
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