Rachegott: Thriller
Mörder sie nicht mehr sehen konnte. Allerdings konnte er sie verfolgen.
Und das tat er auch.
Die Millionärin hörte einen Knall. Dann zersplitterte Glas. Schließlich vernahm sie Schritte auf den Scherben im Wohnzimmer.
„Wer sind Sie, verflucht?! Lassen Sie mich in Ruhe! Ich rufe die Polizei!“, keifte sie, während sie ihren blutenden Arm betastete. Die Kugel schien in den Oberarmknochen eingedrungen zu sein. Es lag keine Austrittswunde vor.
Erste Tränen rannen über Janas Wangen. Der Schmerz entpuppte sich schon bald als unerträgliche Qual. In dieser Sekunde wurde der 45-Jährigen auf dramatische Weise bewusst, wie rasch sich alles ändern konnte. Wie schnell konnte aus einem Leben im Himmel die Hölle auf Erden werden?
Jetzt kenne ich die Antwort.
Ihr wurde schwindelig. Ein Schleier legte sich über ihre Augen. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Taumelnd tastete sie sich durch den Flur und hoffte auf ein Wunder. Doch sie wusste, dass ihre letzte Stunde geschlagen hatte. Der Mörder näherte sich ihr unaufhaltsam. Und im Gegensatz zu ihr verlor er kein Blut und litt unter keinen Höllenschmerzen. Er hatte leichtes Spiel.
Jana schleppte sich hinüber zur Küchentür. Vielleicht konnte sie es schaffen, an ein Messer zu gelangen. Vielleicht konnte sie den Mörder mit einem schnellen Gegenangriff überrumpeln und entgegen aller Erwartungen doch überleben.
Ich muss es probieren! Ich muss meine Schmerzen ignorieren und zur Küche kommen! Etwas anderes bleibt mir nicht übrig! Ich habe nur noch diese eine Möglichkeit!
Sie kniff die Augen zusammen. Ihre Qualen stiegen ins Unermessliche. Das Blut lief weiterhin aus ihrem Oberarm heraus. Doch in dieser lebensbedrohlichen Situation wuchs Jana über sich hinaus. Sie bündelte ihre Energie und kämpfte sich Meter für Meter voran. Trotz ihrer Verletzung spürte sie neue Kraft in sich aufkeimen. Sie wollte sich ihrem Schicksal auf keinen Fall kampflos ausliefern.
Ich werde alles geben! Und ich werde es schaffen! Ich werde nicht sterben!
Sie erreichte die Flurgarderobe, die zwei Meter von der Küche entfernt stand. Dann wollte sie zu einem Hechtsprung ansetzen, als es aus heiterem Himmel an der Haustür klingelte. Gleich darauf noch einmal. Und noch einmal. Jemand schellte Sturm.
Wer kann das sein? Etwa noch ein Irrer? Sind es zwei Mörder? Oder ist es meine Rettung?
Jana hatte nicht die geringste Idee, wer draußen stand. Aber sie hoffte, dass diese Person ihr helfen konnte. Daher ließ sie die Küche links liegen und eilte auf die Haustür zu. Obwohl sie den Drang verspürte, einen Blick über ihre Schulter zu werfen, fixierte sie unablässig die Tür. Jeder Blick nach hinten hätte wertvolle Zeit und Kraft gekostet. Das konnte sie sich nicht leisten. Sie betete nur noch, dass sie die Haustür erreichte, bevor der nächste Schuss fiel – und die Kugel ihren Rücken durchbohrte.
Gib nicht auf! Nur noch drei Meter! Dann hast du es geschafft!
Jana hechtete voran. Tatsächlich gelangte sie zur Tür, ohne dass ein weiterer Schuss ertönte. Der Mörder schien noch immer im Wohnzimmer zu sein. Aber er würde garantiert nicht mehr lange brauchen, um den Flur zu erreichen.
Jetzt zählt jede Sekunde! Leben oder Tod! Alles oder nichts!
Jana griff zur Klinke, drückte sie herab und schrie um ihr Leben: „Hilfe! Helfen Sie mir! Ich werde verfolgt! Ich brauche sofort Hilfe! Bitte!“
Sie kannte die beiden Personen nicht, die vor der Tür standen. Es handelte sich dabei um einen kleinen Mann mit einer Narbe auf der Stirn und eine etwas größere Frau, die ein Muttermal auf dem Kinn hatte. Die Frau ergriff Jana am Arm und warf einen Blick auf die Schusswunde. Dann zog sie ihren Ausweis aus der Tasche und sagte: „Es ist alles okay. Wir sind von der Kripo. Ihnen kann nichts mehr passieren!“
Im selben Moment ertönten zwei Schüsse im hinteren Flurabschnitt. Die Ermittler schnappten sich sofort ihre Waffen, gingen in die Hocke und zielten in Richtung Wohnzimmer. Dort konnten sie jedoch niemanden sehen. Der Mörder war schon wieder verschwunden.
Dieses Spiel werden wir nicht wiederholen! Noch einmal wirst du mir nicht entkommen! , schrie Tommy in Gedanken, bevor er losstürmte. Diesmal werde ich dich kriegen! Und wenn es das Letzte ist, was ich mache!
Während er zum Wohnzimmer rannte, wandte Nora sich wieder an Jana. Aber sie erkannte sofort, dass sie ihr nicht mehr helfen konnte. Denn aus den Mundwinkeln der Millionärin lief bereits Blut heraus.
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