Rachegott: Thriller
einer Viertelstunde angerufen und mich hierher beordert. Haben Sie das etwa schon vergessen? Dann sollten Sie mal zum Arzt gehen und sich untersuchen lassen.“
Tommy brauchte mehrere Sekunden, um Hartigs Aussage zu begreifen. Dann stammelte er: „Ich … ich fürchte, hier liegt ein Missverständnis vor. Ich habe Sie nicht angerufen.“
„Natürlich haben Sie das. Sie haben mir am Telefon gesagt, dass Sie eine wichtige Neuigkeit haben, die Sie mir unbedingt persönlich übermitteln möchten.“
„Ich garantiere Ihnen noch einmal, dass ich Sie nicht angerufen habe“, sagte Tommy. „Es tut mir leid, aber offenbar hat sich jemand einen schlechten Scherz mit Ihnen erlaubt. Wir haben keine neuen Informationen für Sie.“
Der Architekt ließ seine Schultern hängen. „Das kann doch nicht sein. Welcher Idiot hat denn dann bei mir angerufen? Etwa der Mörder? Will der Kerl mich jetzt auch noch zum Narren halten?“
Tommy stand auf. „Der Anrufer klang also wie ich?“
„Da ich Sie erst heute kennengelernt habe, bin ich mit Ihrer Stimme natürlich nicht sehr vertraut. Aber ich dachte tatsächlich, dass Sie es wären.“
„Vermutlich hat der Anrufer seine Stimme verstellt“, sagte Nora. „Sie haben diesen Anruf vor einer Viertelstunde erhalten?“
„Ja.“
„Ist die Nummer in Ihrem Telefon gespeichert?“
„Das bezweifle ich stark. Es wurde nämlich keine Nummer angezeigt.“ Hartig fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht. „Sie werden hoffentlich verstehen, dass ich momentan nur noch meine Ruhe möchte. Das ist alles zu viel für mich. Finden Sie den Mörder und bringen Sie ihn hinter Gitter. Mehr verlange ich nicht von Ihnen.“ Er erhob sich und schritt zurück zur Tür. Während er sie öffnete, sagte er: „Ich wünsche Ihnen einen guten Tag. Auf Wiedersehen.“ Danach verließ er das Büro und schloss die Tür hinter sich.
Thomas verschränkte gleichzeitig die Arme vor der Brust. „Falls es wirklich der Mörder war, der ihn zu uns bestellt hat, dann scheint der Kerl jetzt auch noch einen Gefallen an kindischen Spielchen zu finden. Ob er sich nun irgendwo kaputtlacht? Macht ihn dieser Mist an?“
„Das ist durchaus möglich. Aber vielleicht verbirgt sich hinter diesem Anruf auch ein tiefergehender Zweck. Nur erkennen wir diesen nicht. Ich habe jedenfalls wieder ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend. Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht.“
Der Mörder kam aus dem Lachen nicht mehr heraus. Er verschluckte sich sogar, weil er sich so herzhaft über die Naivität und Ignoranz der ermittelnden Kriminalbeamten amüsierte. Obwohl er seinen Plan von Anfang an als gut empfunden hatte, konnte er nicht glauben, dass während der Durchführung keinerlei Probleme aufgetreten waren. Immerhin hatte es bei der Vorbereitung einige Stellen gegeben, die nicht frei von Risiko gewesen waren.
Aber das kann mir jetzt vollkommen egal sein. Ich bin am Ziel angelangt! Innerhalb von drei Tagen habe ich den perfekten Coup gelandet, ohne geschnappt zu werden. Jetzt bin ich ein gemachter Mann. Mir kann nichts mehr passieren. Bereits in wenigen Stunden werde ich diesem Land für immer den Rücken kehren. Niemand kann mich mehr davon abhalten. Wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe! Im Grunde habe ich mein ganzes Leben davon geträumt, in Ruhe an einem einsamen Karibikstrand liegen zu können! Und jetzt kann ich es mir endlich leisten! Unfassbar!
Der Mörder fuhr in seinem roten Opel auf einer verlassenen Landstraße außerhalb Göttingens. Er wusste, dass er noch einige Vorbereitungen treffen musste, um den Rest seines Lebens tatsächlich sorgenfrei bestreiten zu können. Aber er war sich sicher, nicht mehr im unmittelbaren Gefahrenkreis zu sein. Die Kommissare würden niemals herausfinden, dass er hinter den Taten steckte.
Allerdings werden sie schon bald begreifen, worin das Motiv für die Morde liegt. Wann das genau sein wird, hängt davon ab, wann Wilfried Hartig wieder in seiner Villa eintrifft und wie schnell die Bullen dann schalten. Sind sie intelligent genug, um meine wahre Absicht mit den falschen Spuren zu kombinieren?
Für die Polizisten mag die Zeit ihr größter Feind sein. Für mich ist sie der beste Freund. Die meisten Menschen realisieren gar nicht, wie lang eine einzige Minute sein kann. Alle meckern immer darüber, dass die Zeit zu schnell verfliegt. Warum sehen sie nicht ein, dass die Zeit ein Geschenk ist? Was kann man alles innerhalb einer Minute erledigen? Unzählige
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