Racheherz - Roman
die bereits geöffnet waren, zugunsten des Inhalts von Dosen und vakuumversiegelten Gläsern.
Über einen Salat aus Dosenchampignons, eingelegten Artischockenherzen, Mohrrüben, Kichererbsen und weißem Spargel gab er italienisches Dressing aus einer bislang ungeöffneten Flasche und geriebenen Parmesankäse aus einer neuen Dose, die er erst öffnete, nachdem er sich vorher vergewissert hatte, dass sie unmanipuliert war.
Er stellte den Teller mit dem Salat auf ein Tablett und legte ein versiegeltes Päckchen importierten Panettone und Besteck daneben. Nach kurzem Zögern stellte er ein Weinglas und eine halbe Flasche Chardonnay Far Niente dazu.
Als er das Tablett zu seinem Büro im Westflügel des Erdgeschosses trug, sah er niemanden, doch in einem weit entfernten Raum wurde ein Staubsauger angestellt.
In keinem der Zimmer waren Überwachungskameras angebracht, nur auf den Gängen gab es welche. Diese Videoaufzeichnungen wurden auf DVD gespeichert. Nur für den Fall, dass man sie später ansehen konnte, falls Einbrecher in das Haus gelangten oder ein geschickter Dieb sich darin zu schaffen machten.
Niemand verfolgte die Aufnahmen der Kameras auf den Fluren in Echtzeit. Dennoch fühlte Ryan sich beobachtet.
11
In seinem Büro aß Ryan am Schreibtisch und blickte durch die großen Fenster auf den Swimmingpool im Vordergrund und das Meer in der Ferne.
Das Telefon läutete: sein privatester Anschluss, eine Nummer, die überhaupt nur eine Handvoll Leute hatte. Die Anzeige im Display verriet ihm, dass es Samantha war.
»He, Winky, alterst du immer noch mit Würde?«
»Also, noch wachsen mir keine Haare in den Ohren.«
»Das ist ein gutes Zeichen.«
»Und ich habe auch noch keinen Busen.«
»Du malst ein unwiderstehliches Porträt von dir. Hör zu, das mit Mittwochabend tut mir leid.«
»Was war denn da?«
»Ich habe den ganzen Abend runtergezogen, weil ich von Teresa angefangen habe, von der entfernten Magensonde und davon, dass sie verhungert ist.«
»Du ziehst mich nie runter, Sam.«
»Lieb von dir, dass du das sagst. Aber ich möchte es trotzdem wiedergutmachen. Komm doch heute Abend zum Essen. Ich koche uns Saltimbocca alla romana.«
»Ich liebe deine Saltimbocca.«
»Mit Polenta.«
»Das ist eine Menge Arbeit.«
»Und als Vorspeise Caponata.«
Er hatte keinen Grund, ihr zu misstrauen. »Lass uns essen gehen!«, schlug er vor. »Dann fällt kein Abwasch an.«
»Den Abwasch erledige ich.«
Er liebte sie. Sie liebte ihn. Sie war eine gute Köchin. Dennoch erlag er seinen irrationalen Ängsten.
»Das ist mit so viel Arbeit verbunden«, sagte er. »Ich habe von diesem tollen neuen Restaurant gehört.«
»Wie heißt es?«
Das tolle neue Restaurant war eine Lüge. Er würde eines finden müssen. Ausweichend sagte er: »Ich möchte dich überraschen.«
»Stimmt etwas nicht?«
»Ich bin einfach nur dazu aufgelegt auszugehen. Ich würde gern dieses neue Restaurant ausprobieren.«
Sie sprachen darüber, was sie anziehen sollte und um welche Zeit er sie abholen würde.
»Ich freue mich schon auf dich«, sagte sie.
»Und ich mich auch auf dich«, gab er zurück und legte auf.
Er hatte nicht mehr als ein Drittel von seinem Mittagessen gegessen, aber der Appetit war ihm vergangen.
Mit einem Glas Far Niente ging er zur Tür hinaus, durchquerte den Patio, blieb stehen und betrachtete die schillernden Bänder aus Sonnenschein, die durch die blauen, in sich gemusterten Kacheln aus italienischem Glas sickerten, mit denen der Swimmingpool eingefasst war.
Unwillkürlich tastete er den Verband auf seinem Hals ab.
Wie Zigeunerinnen in Teeblättern und Handflächen würde irgendein Schamane diese Gewebeproben lesen und seine Zukunft vorhersagen.
Das Bild einer Zigeunerin bei Kerzenschein ließ ihn an Geschichten über Schwarze Magie denken, in denen die Haarlocke eines Mannes dafür benutzt wird, ihn mit einem Fluch zu belegen.
Ein Voodoo-Priester konnte einen Mann mit drei feuchten Stückchen aus seinem Herzen - die ja viel intimer und daher weitaus wirkungsvoller als ein paar Haarsträhnen waren - sicher auf unvergleichlich grausame Weise vernichten.
Als ihm ein Frösteln wie mit Tausend Füßchen über den Rücken krabbelte, als sein Herzschlag sich beschleunigte und ein feiner Schweißfilm seinen Haaransatz kribbeln ließ, schalt Ryan sich dafür aus, dass er sich der Unvernunft überlassen hatte. Ein unbegründeter Verdacht Sam gegenüber hatte Metastasen abergläubischen Unsinns
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