Racheherz - Roman
»Sind Sie bereit, sich Rebeccas Wohnung anzusehen?«
Rebecca Reach. Samanthas Mutter.
»Ja«, sagte Ryan.
»Es ist die Nummer 34, im ersten Stock. Ich bin bereits drin.«
Sie beendete das Gespräch.
Abseits des sagenumwobenen Strip war Vegas eine ausgedörrte, zersiedelte Vorstadt. Blass gekalkte Häuser warfen die anämische Mojave-Sonne zurück. Viele Grünanlagen waren mit Kieselsteinen, Felsen, Kakteen und Sukkulenten gestaltet.
Die Palmwedel sahen spröde aus. Die Olivenbäume wirkten eher grau als grün.
Von riesigen Parkplätzen stieg die Hitze bänderförmig
auf und bewirkte, dass Einkaufszentren flimmerten und ihre Form veränderten wie die Stadt auf dem Meeresboden in seinem besorgniserregenden Traum.
Sand, verdörrtes Unkraut und Abfälle begruben Brachflächen unter sich.
Das Oasis, eine zweistöckige Wohnanlage der gehobenen Preisklasse, war ein cremefarbenes Gebäude mit einem Dach aus türkisblauen Ziegeln. In die Sichtschutzmauer, die den großen Innenhof abschirmte, war eine Karawane von Keramikkamelen im Art-déco-Stil eingesetzt, die den Farbton des Daches hatten.
Hinter den Apartments standen Garagen, aber es gab auch Gästeparkplätze im Schatten horizontaler Spaliere, an denen purpurne Bougainvilleen emporrankten.
Zane öffnete die Trennscheibe und die beiden vorderen Fenster, bevor er den Motor ausmachte. »Sie gehen besser allein rein. Geben Sie sich lässig.«
Nachdem er aus dem Wagen gestiegen war, spielte Ryan mit dem Gedanken, auf der Stelle umzukehren und diese fragwürdige Operation abzublasen.
Die Erinnerung an Spencer Barghest, wie er mit Samantha unter dem Pfefferbaum stand, an seinen im Mondschein schlohweißen Haarschopf, das rief Ryan ins Gedächtnis zurück, was er wissen musste und warum.
Hinter dem rückwärtigen Tor lag ein überdachter Gehweg zum Hof, aber nur die Bewohner hatten Schlüssel für das Tor. Er musste um den Hof herum zum öffentlichen Eingang gehen.
Das schmiedeeiserne Haupttor zeigte ein Palmenmotiv und war so behandelt worden, dass es der grünen Patina von verwittertem Kupfer ähnelte.
Mitten im Innenhof befanden sich ein großer Pool und ein Spa mit Rändern aus türkisfarbenen Kacheln. Schwache Chlordämpfe zitterten in der sengenden Luft und schienen in Ryans Nase zu vibrieren.
Einige Bewohner lagen sonnengebräunt und eingeölt auf Liegestühlen und forderten Melanome heraus. Niemand sah sich nach ihm um.
Die tiefe Terrasse der Wohnungen im ersten Stock bildete das Dach einer durchlaufenden Veranda, von der die Wohneinheiten im Erdgeschoss profitierten. Zu der aufwändigen Gartengestaltung gehörten Königinpalmen in verschiedenen Größen, die viel dazu beitrugen, die drei Flügel des Gebäudes voneinander abzuschirmen.
Er stieg die Außentreppe hinauf und fand Apartment 34. Die Tür war angelehnt und öffnete sich weiter, als er näher kam.
Im Flur erwartete ihn eine attraktive Brünette mit einem Flitterwochenmund und Begräbnisaugen, die das Grau von Grabsteingranit hatten.
Sie arbeitete für Wilson Mott. Obwohl sie äußerst feminin wirkte, vermittelte sie den Eindruck, sie sei durchaus in der Lage, den letzten Rest an Tugend, den sie noch besitzen könnte, zu verteidigen und im Gesicht jedes potenziellen Angreifers Abdrücke von den Absätzen ihrer Schuhe zu hinterlassen.
Während sie die Tür hinter Ryan schloss, sagte sie: »Rebecca hat die Tagschicht. Sie wird noch Stunden im Casino sein.«
»Haben Sie etwas Ungewöhnliches gefunden?«
»Ich habe mich nicht umgesehen, Sir. Ich weiß nicht, wonach Sie suchen. Ich bin nur hier, um die Tür zu bewachen und Sie zur Not schleunigst rauszubringen.«
»Wie heißen Sie?«
»Selbst wenn ich Ihnen einen Namen nennen würde, wäre es ja doch nicht mein richtiger.«
»Warum nicht?«
»Das, was wir hier tun, ist illegal. Ich ziehe Anonymität vor.«
Aus ihrem Verhalten zog er den Schluss, dass sie weder ihn noch diesen Auftrag goutierte. Aber schließlich schwebte sein Leben in Gefahr und nicht ihres.
In Rebecca Reachs Abwesenheit war die Klimaanlage auf zwanzig Grad eingestellt, woraus man schließen konnte, dass sie nicht gerade knapp bei Kasse war.
Ryan begann in der Küche und rechnete fast damit, in der Speisekammer diverse Gifte aufgereiht zu finden.
15
Auf seinem Streifzug durch Rebecca Reachs Apartment kam sich Ryan anfangs wie ein Einbrecher vor, obwohl er nicht die Absicht hatte, etwas zu stehlen. Sein Gesicht war gerötet und Schuldbewusstsein ließ sein Herz
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