Racheherz - Roman
wäre, die zum Ziel hatte, ihn um seines Geldes willen zu ermorden, hätte sie seinen Antrag auf der Stelle angenommen. Dann wären sie inzwischen schon verheiratet.
In einer der Schreibtischschubladen fand Ryan acht Zeitschriften. Ganz oben auf dem Stapel lag die Ausgabe von Vanity Fair , die Samanthas Kurzporträt von ihm enthielt.
Jede der sieben anderen Zeitschriften, die innerhalb der letzten zwei Jahren erschienen waren, enthielt einen Artikel von Samantha.
Sam mochte sich ihrer Mutter entfremdet haben, aber Rebecca verfolgte die Karriere ihrer Tochter anscheinend trotzdem mit Interesse.
Er blätterte sämtliche Druckerzeugnisse durch, auf der Suche nach einem Brief, einer Notiz, einem Aufkleber oder irgendetwas anderem, das beweisen würde, dass Sam ihrer Mutter die Zeitschriften geschickt hatte. Seine Suche blieb erfolglos.
In dem gut ausgestatteten Badezimmer und dem großen Schlafzimmer fand er nichts von Interesse. Was Rebecca anging, so hatte Ryan bereits genug entdeckt, und sein vager Argwohn hatte sich zu klarem Misstrauen verschärft.
Wilson Motts namenlose Privatdetektivin wartete im Flur auf ihn. Nachdem sie die Tür so eingestellt hatte, dass sie hinter ihnen ins Schloss fiel, verließen sie gemeinsam die Wohnung.
Sie überraschte ihn damit, dass sie seine Hand nahm und lächelte, als seien sie ein Liebespaar, das zum Mittagessen
und einem nachmittäglichen Abenteuer aufbricht. Wahrscheinlich damit niemand sie verdächtigen würde, falls sie Aufmerksamkeit auf sich zögen - jedenfalls plapperte sie munter drauflos und erzählte ihm von einem Film, den sie kürzlich gesehen hätte.
Während sie über den gemeinschaftlichen Balkon des ersten Stockwerks liefen und die Außentreppe zum Innenhof hinunterstiegen, murmelte Ryan zweimal eine belanglose Bemerkung vor sich hin. Beide Male lachte sie so begeistert, als sei er ein unglaublich geistreicher Gesprächspartner.
Sowohl ihre Stimme als auch ihr Lachen waren wohlklingend und in ihren Augen funkelte ein koboldhafter Sinn für Scherze.
Als sie durch das kupfergrüne Tor aus dem Innenhof auf den Bürgersteig vor dem Oasis traten, verlor ihre Stimme jede Musikalität. Der humorvolle Schwung ihres üppigen Mundes wurde zu einem geraden Strich und ihre Augen waren jetzt wieder grabsteingrau.
Sie ließ ihn los und wischte ihre Hand am Rock ab.
Zu seinem Verdruss wurde Ryan klar, dass seine Hand feucht gewesen war, als sie danach gegriffen hatte.
»Ich habe eine Straße weiter geparkt«, sagte sie. »George wird Sie zu Ihrem Hotel zurückfahren.«
»Was ist mit Spencer Barghest?«
»Er ist im Moment zu Hause. Wir haben Grund zu der Annahme, dass er heute Abend ausgeht. Dann werden wir Sie in sein Haus bringen.«
Als sie sich von Ryan entfernte und er ihr nachsah, fragte er sich, wie sie wohl war, wenn sie nicht für Wilson Mott arbeitete. War der kalte graue Blick ein klarer Hinweis auf ihr wahres Wesen … oder entsprachen das wohlklingende
Lachen und die Koboldaugen eher der Realität? Er war nicht mehr überzeugt davon, dass er die grundlegende Wahrheit über einen anderen Menschen erkennen konnte.
Er kehrte zu der Mercedes-Limousine zurück. George Zane erwartete ihn darin.
Auf der Rückfahrt zum Hotel schien sich die Welt, durch die getönten Scheiben betrachtet, subtil, aber unablässig vor Ryans müden Augen zu verändern - durch das Sonnenlicht abgeflacht, durch Schatten gekrümmt, jede Fläche härter, als er sie in Erinnerung hatte, jede Kante schärfer -, bis es ihm schien, als sei das nicht die Erde, die er immer gekannt hatte, nicht die Welt, in die er hineingeboren worden war.
16
Vom Hotel aus rief Ryan Perry Samantha an, weil er ihr in den wenigen Zeilen, die er in der vergangenen Nacht auf den Notizblock in ihrer Küche geschrieben hatte, einen Anruf versprochen hatte. Zu diesem Zweck benutzte er sein eigenes Handy und nicht das Wegwerfhandy, das man ihm hier zur Verfügung gestellt hatte.
Er war erleichtert, als er die Bandansage ihrer Mailbox hörte. Er behauptete, er sei unerwartet aus geschäftlichen Gründen nach Denver geflogen und käme am Dienstag wieder nach Hause.
Er sagte auch, dass er sie liebe, und in seinen Ohren klang das wahr.
Obwohl er nur selten vor dem Abendessen Wein trank, bestellte er eine halbe Flasche Lancaster Cabernet Sauvignon, als er sich das Mittagessen aufs Zimmer bringen ließ.
Er hatte vorgehabt, das Casino zu besuchen, in dem Rebecca Reach als Croupier an einem der Black-Jack-Tische
Weitere Kostenlose Bücher