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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Stille verringerte seine vagen, unbestimmten Ängste nicht. Er hatte niemanden in die Suite hereingelassen und doch das Gefühl, nicht mehr allein zu sein.
    Er widerstand dem irrationalen Drang, jeden Winkel und jeden Schrank zu durchsuchen, und stellte sich kurz unter die Dusche. Als Dampf die Glastür beschlagen ließ, wischte er sie sauber, um weiterhin eine klare Sicht auf das Badezimmer zu haben.
    Als er angezogen und zum Aufbruch bereit war, fühlte er sich weder erfrischt, noch hatte sich das unangenehme Gefühl gelegt, dass sich außer ihm noch jemand in der Suite aufhielte. Er kapitulierte schließlich vor der Paranoia und schaute in Schränke und hinter Möbelstücke.

    Er überprüfte die Schiebetür zum Balkon. Abgeschlossen. Dort draußen war ohnehin niemand.
    In dem geräumigen Flur warf er einen Blick in den Spiegel über der Konsole. Er rechnete beinah damit, dass jemand hinter ihm in der Suite auftauchen würde, doch niemand zeigte sich.

17
    Spencer Barghest, in Texas zweimal des Mordes angeklagt und beide Male für unschuldig befunden, wohnte in einer mittelständischen Gegend mit einstöckigen Häusern.
    Nachdem George Zane an der Adresse vorbeigefahren war, um einen halben Block weiter auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu parken, lief Ryan zu Barghests Haus zurück.
    Die warme Nachtluft war so trocken, dass sich der Duft von Bäumen und blühenden Sträuchern nicht entfalten konnte, sondern nur der hauptsächlich alkalische Geruch der Wüste, auf deren Gebiet die Stadt unberechtigterweise vorgedrungen war, über die sie jedoch nicht triumphiert hatte.
    Gartenscheinwerfer, die hoch oben im filigranen Blättergeflecht von Teebäumen angebracht waren, warfen so scharfe Schatten auf den Gehweg zur Haustür, dass man sich nicht gewundert hätte, wenn sie unter den Füßen geknirscht hätten. Licht schimmerte hinter den zugezogenen Vorhängen der Fenster und die namenlose Brünette mit dem weichen Mund und den steinernen Augen begrüßte ihn, bevor er läuten konnte.
    Als die Frau die Tür hinter ihnen schloss, sagte Ryan: »Wie viel Zeit habe ich?«
    »Mindestens drei bis vier Stunden. Er ist mit Rebecca Reach essen gegangen.«
    »So lange nehmen sich die beiden Zeit zum Abendessen?«
    »Nach dem Abendessen kommt noch die horizontale Gymnastik in ihrer Wohnung. Nach Aussage unserer Quellen
fährt Barghest total auf Viagra ab. Es vergeht kein Tag, an dem er das Zeug nicht einwirft und dann munter loslegt.«
    »Dr. Death ist ein Don Juan?«
    »Sie überschätzen ihn. Er ist ein Hurenbock.«
    »Was ist, wenn sie hierher zurückkommen?«
    »Das werden sie nicht. Vielleicht gibt es ein paar durchgeknallte Frauen, die diese Innenausstattung erregend finden, aber den meisten geht es nicht so. Rebecca gehört zu Letzteren.«
    Im Wohnzimmer zeigte sie ihm, was sie meinte. Außer dem üblichen Mobiliar befanden sich dort drei Tote, zwei Männer und eine Frau, alle nackt.
    Da er einen Zeitungsbericht über eine Wanderausstellung von Kadaverkunst gelesen hatte, die landesweit in Museen, Galerien und Universitäten mit gutem Namen gezeigt wurde, wusste Ryan sofort, dass es sich hierbei nicht um Skulpturen handelte, nicht um bloße Darstellungen von Toten. Es waren gewissenhaft konservierte Leichen.
    Diese Toten waren mit antibakteriellen Lösungen, Trockenmitteln und zahlreichen Konservierungsstoffen behandelt worden. Anschließend hatte man sie in Polyurethan getaucht, das sie mit einer luftdichten Glasur überzog und die Verwesung verhinderte. Zudem waren sie in Gerüste eingespannt, die sie in ihrer jeweiligen Pose festhielten.
    Einer der Männer war anscheinend an einer auszehrenden Krankheit gestorben; er wirkte ausgemergelt. Seine schmalen Lippen waren fest zusammengekniffen. Dadurch, dass ein Auge geschlossen und das andere offen war, entstand der Eindruck, ihm hätte der Mut gefehlt, dem nahenden Tod fest ins Gesicht zu blicken.

    Der zweite Mann sah gesund aus; die Todesursache war ihm nicht anzusehen. Er schien lebendig zu sein, wenn man davon absah, dass ihn der Überzug aus Polyurethan von Kopf bis Fuß glänzen ließ wie einen gut mit Fett begossenen Festtagstruthahn.
    Die Frau mittleren Alters war offenbar kurz nach einer einseitigen Brustamputation gestorben, denn die schauerlichen Narben waren bei ihrem Ableben noch nicht verheilt. Ebenso wie die Männer hatte auch sie einen kahlrasierten Schädel.
    Ihre blauen Augen hefteten sich mit einem Blick auf Ryan, aus dem Demütigung und Grauen

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