Racheherz - Roman
für einen Hund zu schaffen. Es war ihm immer so erschienen, als würde in späteren Jahren noch jede Menge Zeit für einen Hund sein.
»Wir können nur die Symptome mit Medikamenten zur Entwässerung behandeln, um gegen ein mögliches Herzversagen anzugehen«, sagte Dr. Gupta, »und mit antiarrhythmisch wirkenden Medikamenten gegen Herzrhythmusstörungen vorbauen.«
»Ich surfe. Ich führe ein ziemlich aktives Leben. Mit welchen
Einschränkungen muss ich rechnen, mit welchen Veränderungen?«
Das Zögern des Kardiologen führte dazu, dass Ryan seinen Blick von dem Golden Retriever abwandte.
»Der entscheidende Punkt«, sagte Dr. Gupta, »ist nicht, wie eingeschränkt ihr Leben sein wird … sondern wie lang.«
In den sanften Augen des Arztes sah Ryan wie in der Kristallkugel einer Wahrsagerin seine Zukunft.
»Ihr Zustand ist nicht statisch, Ryan. Die Symptome lassen sich mildern, aber die zugrunde liegende Krankheit ist nicht aufzuhalten. Die Herzfunktion wird sich stetig verschlechtern.«
»Wie lange?«
Dr. Gupta wandte seinen Blick von Ryan ab und sah auf ein anderes Foto von seiner Familie, das auf seinem Schreibtisch stand. »Ich vermute … nicht mehr als ein Jahr.«
Als er sich in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag auf dem Fußboden seines Schlafzimmers vor Schmerzen gekrümmt hatte, hatte Ryan damit gerechnet, an Ort und Stelle zu sterben. In den Tagen, die seither vergangen waren, hatte er jeden Moment damit gerechnet, niedergestreckt zu werden.
Ein Jahr hätte ihm daher als ein Geschenk erscheinen sollen, doch stattdessen war die Voraussage eine psychische Guillotine, und der dadurch verursachte Schmerz war so heftig, dass er kein Wort herausbrachte.
»Ich könnte Ihnen jetzt etwas von den Fortschritten erzählen, die in der Erforschung erwachsener Stammzellen gemacht werden«, sagte Dr. Gupta, »aber innerhalb des nächsten Jahres wird aus dieser Ecke nichts kommen, falls überhaupt jemals etwas dabei herauskommt, und Sie sind
ohnehin niemand, der aus dieser Form von Wunschdenken Trost schöpfen würde. Daher kommt nur eine Transplantation infrage.«
Ryan blickte von dem Umschlag auf, der das Foto von Teresa enthielt und den er mit beiden Händen umklammerte, als sei er eine Boje, die ihn über Wasser hielt. »Eine Herztransplantation?«
»Wir werden Ihre Daten augenblicklich an die UNOS übermitteln.«
»UNOS?«
»Das United Network for Organ Sharing, die Organisation zur Verteilung von Spenderorganen. Dort sorgt man für eine gerechte, unparteiische Zuteilung von Organen.«
»Dann … besteht also noch eine Chance.«
»Häufig sind die Resultate einer Herztransplantation recht gut. Ich habe eine Patientin, die mit einem neuen Herzen seit fünfzehn Jahren ein absolut ausgefülltes Leben führt, und sie ist immer noch gut in Form.«
Die Vorstellung, er könne dem baldigen Tod durch eine Transplantation entkommen, linderte Ryans Leid nicht etwa, sondern wühlte ihn nur noch mehr auf.
Er wollte nicht in Anwesenheit von Samar Gupta in Tränen ausbrechen, und auf der Suche nach etwas, das ihm dabei helfen konnte, dieser peinlichen Situation zu entgehen, kehrte er zum zentralen Thema der letzten Tage zurück und sagte: »Könnte ich vergiftet worden sein?«
Dr. Gupta zog die Stirn in Falten. »Ganz sicher nicht.«
»Dr. Stafford hat das als eine der möglichen Ursachen für ein vergrößertes Herz genannt. Aber auch er hat es … in meinem Fall ausgeschlossen.«
»Ich habe mich eingehend mit den Gewebeproben befasst,
die bei der Biopsie entnommen wurden«, sagte der Kardiologe, »und ich glaube mit ziemlicher Sicherheit sagen zu können, dass es sich in Ihrem Fall um eine familiengebundene Erkrankung handelt.«
»Familiengebunden?«
»Erblich. Die Zellcharakteristika sind typisch für diese Zuordnung.«
»Sie sind sich ziemlich sicher«, sagte Ryan, »aber nicht ganz?«
»Vielleicht ist nichts im Leben wirklich sicher, Ryan.«
Nachdem er seine Tränen erfolgreich zurückgedrängt hatte, rang Ryan sich ein Lächeln ab und sagte: »Nur der Tod und die Steuern.«
Dr. Gupta nahm Ryans Lächeln dankbar an und erwiderte es. »Obwohl einem das Finanzamt wenigstens einen Termin für die Gerichtsverhandlung nennt.«
23
In den Tagen, die auf seinen Termin bei Dr. Gupta folgten, erlag Ryan sporadischen Anfällen des Leugnens, die ihn dazu brachten, stundenlang wie besessen auf medizinischen Seiten im Internet nach den jüngsten Entwicklungen bei der Behandlung von Kardiomyopathien zu
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