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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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erst recht zu Leistungen angespornt, nicht nur als Erwachsenen, sondern schon in seiner Kindheit, als er beschlossen hatte, nie wie sie zu werden.
    Im Geschäftsleben hatte er jeden Rückschlag als Chance angesehen, jeden Triumph als Herausforderung, noch mehr
zu erreichen. Er hatte nie aufgegeben, nie kapituliert, nie auch nur nachgegeben, außer dann, wenn er in einer Frage von seinem Standpunkt abrückte, um in einer anderen einen viel größeren Vorteil zu erringen.
    Er hätte gern geglaubt, hinter seiner wachsenden Resignation verberge sich eine gewisse seelische Stärke, die die Verzweiflung abwenden würde. Aber Seelenstärke war eine Form von Durchhaltevermögen, die von Beherztheit herrührte, und mit jeder Drehung der Räder dieser Luxuslimousine fühlte er sich weiter von seinen bisherigen Kraftquellen entfernt und zunehmend außerstande, Mut aufzubieten.
    Er begann sich zu fragen, ob jeder einzelne Schritt, den er in diesen vergangenen fünf Tagen unternommen hatte - die gesamte Überprüfung von Rebecca Reach und Barghest -, nichts weiter als ein verzweifelter Ablenkungsversuch gewesen war, um nicht an den Befund denken zu müssen, den er heute Nachmittag bei seinem Termin mit dem Kardiologen wahrscheinlich erhalten würde. Da es ihm widerstrebte, eine tödliche Diagnose hinzunehmen, an der er nichts ändern könnte, hatte er sich vielleicht damit beschäftigt, ein Schreckgespenst zu suchen, das sich leichter zum Kampf herausfordern ließ.
    Als sie das Ärztehaus erreichten, in dem Dr. Gupta seine Praxisräume hatte, hielt die Limousine im Parkverbot am Randstein.
    Ryan ließ Teresas Fotografie in den braunen Umschlag gleiten.
    Der Chauffeur kam hinter dem Steuer hervor und öffnete Ryan die hintere Tür.
    Da ihn die Unvernunft gepackt hatte, nahm Ryan die Fotografie
der Toten mit, nicht um sie dem Kardiologen zu zeigen, sondern lediglich damit er sie in der Hand halten konnte. Als ein Talisman, dessen Kraft verhindern könnte, dass er die letzte steile Stufe zwischen Resignation und Verzweiflung hinabstieg.

22
    »Kardiomyopathie«, sagte Dr. Gupta.
    Er saß mit Ryan nicht in einem Untersuchungszimmer, sondern in seinem privaten Büro, als hielte er es für notwendig, ihm diese Neuigkeit in einer weniger klinischen und beruhigenderen Umgebung mitzuteilen.
    Auf einem Regalbrett hinter dem Schreibtisch standen in silbernen Rahmen Fotos von der Familie des Arztes. Seine Frau sah reizend aus. Sie hatten zwei Töchter und einen Sohn, alles hübsche Kinder, und einen Golden Retriever.
    In dem Regal standen auch ein Modell von einem Segelboot und zwei Fotos der Familie Gupta - einschließlich Hund -, die an Bord des Boots aufgenommen waren.
    Während er sich seine Diagnose anhörte, beneidete Ryan Perry den Kardiologen um seine Familie und die offensichtliche Fülle seines Lebens, die ein ganz anderer - und weitaus reicherer - Segen war als jedes Vermögen.
    »Eine Erkrankung des Herzmuskels«, sagte Samar Gupta. »Sie führt zu einer Einschränkung der Kontraktionskraft und einem Nachlassen der Pumpfunktion.«
    Ryan wollte nach der Ursache fragen, nach der Möglichkeit einer Vergiftung, die Forry Stafford erwähnt hatte, doch er wartete noch.
    Dr. Guptas artikulierte sich so exakt wie sonst auch, aber die Musikalität seiner Stimme wurde jetzt durch Mitgefühl beeinträchtigt, das ihm einen gemessenen Ernst auferlegte:
»Kardiomyopathien spalten sich in drei Hauptgruppen auf - die restriktive, die dilative und die hypertrophe Kardiomyopathie.«
    »Hypertroph. Das ist die Sorte, die ich habe.«
    »Ja. Eine Anomalie der Herzmuskelfasern. Die Herzzellen selbst funktionieren nicht ordnungsgemäß.«
    »Und die Ursache?«
    »Im Allgemeinen ist das erblich.«
    »Meine Eltern haben es nicht.«
    »Vielleicht ein Großelternteil. Manchmal sind keine Symptome zu erkennen, es kommt einfach nur zum plötzlichen Tod, der dann als Herzinfarkt angesehen wird.«
    Ryans Großvater väterlicherseits war mit sechsundvierzig an einem plötzlichen Herzanfall gestorben.
    »Und wie behandelt man das?«
    Dem Kardiologen schien es geradezu peinlich zu sein, das sagen zu müssen: »Es ist unheilbar.« Er klang, als sei die Unfähigkeit der medizinischen Forschung, eine entsprechende Heilmethode zu finden, sein persönliches Versagen.
    Ryan richtete seinen Blick auf den Golden Retriever auf dem Familienporträt. Er wollte schon lange einen Hund haben. Aber bislang hatte er zu viel damit zu tun gehabt, in seinem Leben überhaupt Platz

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