Racheherz - Roman
nachdem andere agiert haben. Fang die Welle ab, wenn sie bricht, fahre ein und schieße durch die Röhre, steuere das Geschehen, gib’s der Tube, lass es dir nicht von ihr geben, existiere, um zu leben , existiere niemals, um zu existieren. Existenz ist ein Eingang, kein Ausgang. Sein oder Nichtsein, das ist hier nicht die Frage.
Ryan drehte eine Runde durch das große Haus, schaltete auf dem Weg Lichter ein und schaltete sie hinter sich wieder aus. Er sah wenig von den Räumen, die er durchstreifte, stattdessen sah er die Umgebung, aus der er gekommen
war: die herumkriechenden Kakerlaken und die Joints im Aschenbecher, die Poster von Kathmandu und Khartum, Reisen, die nie unternommen wurden, weil Dads tägliche Reisen im Kopf in viel exotischere Regionen die Reisekasse aufzehren, das Geld für die Miete aufzehren; dafür kommt manchmal ein Ausflug im Kleinbus nach Las Vegas zustande, mit Mom und einem Mann, wer auch immer gerade der Mann der Stunde sein mag, der ihr eigentlicher Mann niemals sein kann, die gute Laune auf der Fahrt nach Osten, das harte Licht der endlosen Wüste und das Geplänkel über das große Geld, Wettsysteme und Pläne zum Kartenzählen, flaschenweise Dos Equis, um die Meilen rumzubringen, das Betatschen auf dem Vordersitz, während du dich auf dem Rücksitz des Wagens taub stellst, so tust, als seist du nie geboren worden; manchmal lassen sie dich auf den Parkplätzen von Casinos nachts allein und du versteckst dich hinten im Wagen, denn wenn du vorn sitzt, wo man dich sehen kann, klopfen fremde Leute ans Fenster und versuchen sich bei dir einzuschmeicheln - Vampire, vermutest du - und dich dazu zu überreden, dass du die Türverriegelung öffnest; und dann das billige Motel, immer dasselbe billige Motel, wo du im Wagen wartest, während Mom und der Mann des Augenblicks ungestört »Mußestunden« miteinander verbringen; ein oder zwei Tage später die Rückfahrt nach Westen, die verzweifelten Gespräche über Geld, die bitteren Anschuldigungen, die Raststätte, wo einer von ihnen sie schlägt und sie zurückschlägt und du einzuschreiten versuchst, aber du bist klein und schwach, und dann tut er vor aller Augen etwas mit ihr und du musst weggehen, in die heiße, trockene Wüste hinauslaufen, in Richtung Heimat laufen, du kannst nicht zusehen, aber du kannst auch keine
Hunderte von Meilen laufen, und daher musst du, wenn sie neben dir anhalten, wieder hinten einsteigen, und sie sitzen vorn und lachen , als sei nichts passiert, und dann kommt die weite Heimfahrt, in diese Richtung ist die Wüste ohne Schönheit, die Mojave ein riesengroßer schmutziger Aschenbecher, Mom und der Mann reden über das nächste Mal, über den großen Reibach, den sie beim nächsten Mal machen werden, wie sie ihr System verfeinern und das Kartenzählen üben werden, und so geht es, bis du wieder zu Hause bist, bei Dad und Kathmandu und Khartum und den Kakerlaken und den Joints und dem nächsten Mann der Stunde.
Nachdem er zweimal durch das ganze Haus gelaufen war, kehrte Ryan in die Suite zurück, wo er sich gar nicht erst die Mühe machte, die Tür zu verriegeln.
Da er sich sicher war, dass er vor dem nächsten Angriff noch reichlich gefoltert werden würde, legte er auch kein Messer unter sein Kopfkissen.
Dr. Hobb hatte ihm geraten, nur geringe Mengen zu trinken, da Alkohol die Absorption einiger seiner achtundzwanzig Medikamente beeinträchtigen und die Wirkung abschwächen könnte. Er schenkte sich trotzdem ein drittes Glas Opus One ein.
Ryan setzte sich mit Samanthas Buch ins Bett. Er schlief beim Lesen ein und träumte von den Ereignissen in ihrem Roman, dabei durchlebte er intensive Augenblicke der Geschichte.
Es waren eigenartige Träume, weil er nie selbst eine Rolle darin spielte und weil er die ganze Nacht lang von jeder Szene erwartete, dass sie schimmerte, als sei sie eine Spiegelung auf Wasser, dass sie schimmern und aufbrechen würde, wenn
sich eine bislang verborgene Erscheinung aus den Tiefen des Subtexts erhob und sich ihm mit einem ausdruckslosen und erbarmungslosen Starren zuwandte.
Um 8.14 Uhr wurde er durch einen Anruf von Dougal Hobb geweckt. Der Chirurg hatte bereits eine E-Mail von der Familie erhalten, mit einem Foto ihrer Tochter, deren Herz jetzt in Ryans Brust schlug.
»Wie ich erwartet hatte, waren die Angehörigen bereit, Ihnen den Vornamen zu nennen, aber nicht den Familiennamen«, sagte Hobb. »Und nachdem ich erklärt habe, Sie würden von etwas gequält, das Sie selbst
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